- Berlin
- S-Bahn
Das Beste für Spindlersfeld
In der Silvesternacht geht die jüngste S-Bahn-Generation in den Fahrgastbetrieb
Eine kurze Fahrt für den Zug, ein großer Schritt für die S-Bahn. In der Silvesternacht um 0.01 Uhr soll am Bahnhof Schöneweide die S47 zwei Stationen bis zum Endbahnhof in Spindlersfeld fahren. Es wird die erste Fahrgastfahrt mit der neuen Baureihe 483/484 sein. Als »rasendes iPad« bezeichnet Peter Buchner, Chef der S-Bahn Berlin GmbH, wegen der flachen schwarzen Front die neuesten Züge auf dem Netz. Seit September 2019 haben die ersten Züge des Herstellerkonsortiums von Stadler und Siemens rund 150 000 Testkilometer auf Berliner Strecken absolviert. Im Oktober 2020 erteilte das Eisenbahn-Bundesamt die Zulassung für den Fahrgasteinsatz. »Die Fahrzeuge sind startklar, die Personale ausgebildet und die Werkstätten vorbereitet«, sagt Peter Buchner.
Die Nutzer der S47 können sich über die ersten klimatisierten Züge der Berliner S-Bahn freuen. Sie fahren zudem sehr leise und verfügen über Displays, die den Linienverlauf, die aktuelle Station und Umsteigemöglichkeiten anzeigen. »Die Fahrgastinformation wurde ausführlich getestet. Derzeit gibt es keine Auffälligkeiten«, versichert eine Sprecherin der Deutschen Bahn auf nd-Anfrage. Bleibt zu hoffen, dass dem auch im Alltagsbetrieb so sein wird. Denn in Regionalzügen der DB oder auch bei der Berliner U-Bahn wird oft alles Mögliche angezeigt, aber nicht die Realität.
382 Wagen sollen nach und nach den Betrieb auf den Ringbahnlinien übernehmen. Laut Verkehrsvertrag sollen sie ab Juli 2022 auf der S46 fahren. Eine lange Pause, sollen doch die ersten Serienzüge der neuen Baureihe bereits im Sommer 2021 in Berlin ankommen.
Allerdings werden die zehn sogenannten Vorserienzüge, die ab Jahreswechsel auf der S47 fahren, an den Rest der Lieferung technisch angepasst werden müssen. Möglicherweise müssen sie vom Eisenbahn-Bundesamt im Anschluss neu zugelassen werden. »Für all diese Aspekte ist es erforderlich, dass ausreichend Fahrzeuge bei der S-Bahn Berlin GmbH zur Verfügung stehen, die nicht für den Fahrgastbetrieb verplant sind«, heißt es in der Antwort auf eine Schriftliche Anfrage des Linke-Verkehrspolitikers Kristian Ronneburg. Bis zu acht Monate könnten neue Züge demnach herumstehen. Es gebe Gespräche mit dem zuständigen Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg, ob die Fahrzeuge im Zweifelsfall nicht doch früher auf die S46 kommen könnten, heißt es bei der Bahn.
Beim restlichen Terminplan ist nicht mehr so viel Luft. Ab Mitte Oktober 2022 folgt die S8. Die Ringbahnlinien S41 und S42 sollen in zwei Stufen im April und Oktober 2023 umgestellt werden. Vor allem dort wird die zusätzliche Kapazität dringend benötigt. Statt bisher sechs Wagen sollen die Züge dann acht Wagen lang sein, außerdem soll von morgens bis abends und auch am Wochenende dann alle fünf Minuten ein Zug kommen.
Immerhin ist die S-Bahn Berlin dank der Mitte 2018 gestarteten Qualitätsoffensive schon ohne die neuen Züge deutlich zuverlässiger geworden. 2020 waren erstmals mehr als 96 Prozent der Züge pünktlich, wie es im Verkehrsvertrag verlangt wird. Besonders sticht die Ringbahn mit fast 98 Prozent Pünktlichkeit im ersten Halbjahr hervor. Sie war lange sehr unzuverlässig.
Während mit der Einführung der neuen Züge auf der S47 der Ende 2015 geschlossene Verkehrsvertrag für die Ringbahn in Kraft tritt, läuft inzwischen die Ausschreibung für die restlichen zwei Netzteile Nord-Süd und Stadtbahn der S-Bahn. Am 28. Januar 2021 endet die Bewerbungsfrist. Kritiker befürchten beim gewählten Verfahren eine Zerschlagung der S-Bahn mit Verschlechterungen für die Beschäftigten und einem instabileren Betrieb. Die Grünen wollen mehr Wettbewerb, SPD und Linke haben Bedenken.
Die gerade in den Betrieb kommenden Züge der Baureihe 483/484 haben laut den Ausschreibungsunterlagen allerdings keine Chance auf Nachbestellung. Denn zusätzlich zu der bisher üblichen Fahrspannung von 750 Volt sollen sie auch mit 1200 oder 1500 Volt Spannung fahren können. »Die Fahrzeuge werden schwerer und die zusätzliche Technik kostet Platz im Fahrgastraum«, sagt ein Fahrzeugexperte zu »nd«. Denn wegen der sehr beschränkten Maße der Berliner S-Bahn lassen sich die Einbauten weder auf dem Dach noch unter den Zügen unterbringen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.