Fleischbranche: Gesetz löst Masseneinstellungen aus

Allein drei Firmen übernehmen mehr als 10.000 Beschäftigte.

  • Eva Roth
  • Lesedauer: 3 Min.

In der deutschen Fleischindustrie ist das Pandemiejahr mit einem Einstellungsboom zu Ende gegangen. Allein die drei großen Konzerne Tönnies, Vion und Westfleisch haben auf nd-Anfrage erklärt, rund 12 000 Beschäftigte zu übernehmen, die bislang bei externen Subunternehmen angestellt waren. Die Masseneinstellungen ausgelöst hat die Politik: Seit 1. Januar sind Werkverträge in der Fleischproduktion verboten.

Marktführer Tönnies erklärte, die Übernahme des externen Personals sei seit September in vollem Gange. »Voraussichtlich mit Jahresende werden die Direkteinstellungen abgeschlossen sein«, schrieb ein Sprecher am 29. Dezember, also wenige Tage vor Inkrafttreten des Gesetzes. »Somit werden unsere Häuser um mehr als 6000 Stammbeschäftigte wachsen.« Wie viele Festangestellte der Konzern zuvor in Deutschland hatte, verriet die Pressestelle nicht. Laut Internetseite hatte Tönnies 2018 weltweit rund 16 500 Mitarbeitende.

Vion hatte zuletzt hierzulande circa 3000 direkt Angestellte - und rund 3300 externe Beschäftigte. Nun übernehme »Vion die bisherigen Werkvertragsmitarbeiter«, so ein Sprecher.

Westfleisch habe bereits ab 2014 rund 2000 ehemals Externe angestellt, teilte die Pressestelle mit. Im Herbst vereinbarte das Management dann mit der Gewerkschaft NGG, weitere 3000 Menschen zu übernehmen. Die Genossenschaft war also schon vor dem gesetzlichen Werkvertragsverbot zur Umstellung bereit. Ab Januar umfasst die Stammbelegschaft damit rund 7000 Menschen. Der Konzern ist auch die einzige große Fleischfirma, die weitgehend tarifgebunden ist und mit der NGG seit Jahrzehnten die Arbeitsbedingungen aushandelt.

Die Angaben der drei Unternehmen geben einen Eindruck davon, in welchem Ausmaß deutsche Fleischfirmen Tätigkeiten ausgelagert haben, als dies noch erlaubt war. Seit der Jahrtausendwende schlossen sie mit unzähligen Drittfirmen Werkverträge, etwa über das Schlachten von Schweinen. Die Arbeit verrichteten dann Zehntausende Angestellte der Subunternehmen, oft Menschen aus Mittel- und Osteuropa. Seit langem ist bekannt, dass ihre Arbeitsbedingungen und ihre Unterbringung oft miserabel sind. Doch erst als es im Frühjahr zu Masseninfektionen in Schlachthöfen kam, kündigte Arbeitsminister Hubertus Heil einen besseren Schutz der Beschäftigten an. Im Dezember beschloss der Bundestag dann gegen die Stimmen von FDP und AfD: Ab 1. Januar 2021 dürfen im Kernbereich der Fabriken, also fürs Schlachten, Zerlegen und für die Fleischverarbeitung, keine Werkvertragsbeschäftigten mehr eingesetzt werden.

Einige Firmen haben noch versucht, das Gesetz kurzfristig zu stoppen. Doch das Bundesverfassungsgericht lehnte am Mittwoch ihre Eilanträge ab, die Vorschriften sind damit diese Woche in Kraft getreten.

Und wie hoch ist die Mindestvergütung in den drei großen Unternehmen? Vion nannte hierzu keine konkreten Beträge. Bei Westfleisch liegt der unterste Lohn bei 9,60 Euro pro Stunde, und damit etwas über dem gesetzlichen Mindestlohn, der ab Januar 9,50 Euro beträgt. Weniger als 20 Prozent aller Beschäftigten seien in dieser Stufe eingruppiert, schrieb Westfleisch. Tönnies habe in der Produktion vier Lohngruppen von 9,50 bis 18 Euro, teilte ein Sprecher mit. Der Durchschnittslohn betrage 11,35 Euro.

Vom dänischen Gehaltsniveau sind die Firmen damit noch weit entfernt. Dort liegt der tarifliche Mindestlohn in der Fleischindustrie laut Gewerkschaft NNF bei umgerechnet 20,32 Euro.

Die NGG hat die Unternehmensverbände zu bundesweiten Tarifverhandlungen aufgefordert, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und einheitlich zu regeln. Bislang hätten die Verbände nicht reagiert, teilte die Gewerkschaft mit. Die drei angefragten Firmen zeigten sich indes offen dafür. So schrieb der Tönnies-Sprecher: »Als Arbeitgeber befürworten wir Gespräche mit den Tarifparteien über einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für die Branche.« Die Genossenschaft Westfleisch, die bereits einen Haustarif hat, nannte den Vorteil einer branchenweiten Regelung: Dies würde »für alle Unternehmen zu gleichen und transparenten Bedingungen« führen.

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