• Berlin
  • Lokalbesitzer in Coronazeiten

Nach Corona mit den Nachbarn feiern

Teil 5 unserer Serie über Menschen in Berufen, die die Coronakrise besonders trifft

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Telefon in der Schankstube vom »Rolandseck« gibt keine Ruhe. Das Wirtshaus bietet auf Bestellung deutsche Küche für Selbstabholer oder liefert auch frei Haus. Und nachdem die Friedrichshagener ihren Silvester-Kater auskuriert haben, zieht die Nachfrage wieder an. »Zu Weihnachten lief es richtig gut«, sagt Sylvio Groß, der Besitzer und Wirt. Da hätten er, seine beiden Kellnerinnen und der Koch vollauf zu tun gehabt. Die Kunden mussten zeitversetzt kommen, da die Küche nicht alle Gerichte gleichzeitig fertig haben konnte. Und die Hygieneregeln verlangen, dass die Selbstabholer Abstand halten.

Wer den Köpenicker Ortsteil Friedrichshagen besucht, lässt sich rasch vom Charme der Bölschestraße bezirzen, die vom S-Bahnhof zum Müggelsee führt. Einheimische wissen aber auch das Leben in der »zweiten Reihe« zu schätzen. Zum Beispiel die Alt-Berliner Gastlichkeit im »Rolandseck« in der Scharnweberstraße 80. Das gibt es schon seit 1896, und es ist trotz diverser Eigentümerwechsel nach der Wende ein Friedrichshagener Original geblieben. Bevor es Sylvio Groß vor rund 17 Jahren übernommen hat, war es auch mal italienisch, argentinisch, indisch und zuletzt ein Irish Pub. Sylvio Groß, der aus dem sächsischen Hoyerswerda stammt, hat sich dann aber für deutsche Küche entschieden. Was besser passte, weil das »Rolandeck« seit jeher ein typisches Berliner Vereinslokal mitten im Kiez war. »Mir war die Geschichte des Hauses zunächst gar nicht bewusst«, sagt der Wirt. »Aber die Friedrichshagener kamen sofort nach der Neueröffnung, sogar viele Leute, die hier gar nicht mehr wohnen. Die haben viel erzählt, auch dass sie hier Jugendweihe oder Hochzeit gefeiert haben. Heute kommen deren Kinder, die nun auch schon groß sind.«

Seit dem coronabedingten Lockdown im Frühjahr sind dem Wirtshaus mit den großen Familienfeiern, den traditionellen Festen und regelmäßigen Kultur- und Live-Musik-Veranstaltungen fest geplante Einnahmen weggebrochen. »Von der Laufkundschaft allein kann ich auf Dauer nicht leben«, sagt Groß. »Zumal sich vor allem ältere Gäste bald auch nicht mehr zu uns hereingetraut haben, aus Angst sich anzustecken.«

Wirtschaftlich ist die Pandemie eine Herausforderung mit offenem Ausgang. Über den März-Lockdown hat das staatliche Überbrückungsgeld hinweggeholfen. »Da viele Leute im Sommer nicht verreist sind, lief es für uns von Juli bis September richtig gut«, sagt er. »Aber schon der Oktober mit all den Hiobsbotschaften war die reinste Katastrophe.« Seit dem zweiten Lockdown hat das »Rolandseck« nur noch von Donnerstag bis Sonntag verkürzt geöffnet, bietet verschiedene Gerichte im Bestellservice. »Wir haben uns ganz gut organisiert, sorgen auch für eine ansehnliche Verpackung. Das wird sehr gut angenommen. Viele unserer Gäste halten uns die Treue, unterstützen uns auch durch den Kauf von Gutscheinen.« Allerdings wartet Sylvio Groß sogar Anfang Januar noch auf das vom Staat mit der Anordnung des zweiten Lockdowns zugesagte »November-Geld«. Das »Rolandseck« wolle durchhalten. Aber ohne Unterstützung werde es bald sehr eng.

»Für 2021 kann man nur hoffen, dass jeder gesund und vor allem klar im Kopf bleibt, und versucht, sich nicht unterkriegen zu lassen«, sagt Sylvio Groß. »Wünschen würde ich mir eine Feier mit den Leuten als Dankeschön dafür, dass sie zu uns gehalten haben. Man spürt das ja, wie sehr sie uns verbunden sind.«

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