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Konkurrenz für die Landessoftware

Bildungsverwaltung will wegen Problemen mit Lernplattform auch Privatanbieter beauftragen

  • Maximilian Breitensträter
  • Lesedauer: 4 Min.

Fehlermeldungen statt Zugang zur digitalen Unterrichtsplattform Lernraum Berlin. Zum Schulstart im neuen Jahr ging auf dem landeseigenen Angebot für die rund 108 000 angemeldeten Nutzer zeitweise nichts mehr. Bei manchen brachen Videokonferenzen ab, bei anderen waren Unterrichtsblätter nicht abrufbar, wieder andere konnten sich gar nicht erst anmelden. Auch am Dienstagmorgen soll es noch zu technischen Problemen gekommen sein. Schon am Sonntag hatten sich Lehrer über den Lernraum Berlin mokiert: Wegen »Wartungsarbeiten« konnten offenbar ab dem Nachmittag keine Unterrichtsutensilien mehr hochgeladen werden.

Der Fehlstart kommt nicht von ungefähr. Bereits kurz nach dem Inkrafttreten des Lockdowns Mitte Dezember hatte die Webseite für das angeleitete häusliche Lernen mit Serverproblemen zu kämpfen. Diese waren damals offenbar auf die strikten Sicherheitseinstellungen zurückzuführen.

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Nun soll es an einer Mischung aus Server- und Softwareproblemen gelegen haben, wie der Sprecher der Senatsbildungsverwaltung, Martin Klesmann, auf nd-Anfrage erläutert. »Wenn sehr viele Nutzer auf einmal auf eine Webseite zugreifen, führt das schnell zu einer Überlastung der Rechner.« Man habe die Dienstleister am Zuse-Institut Berlin daraufhin beauftragt, die Serverleistungen so hochzufahren, dass »eine sichere Lastenverteilung für bis zu 120 000 Nutzer des Lernraums gesichert ist.« Für die Software der Lern-Seite, die auf dem Open-Source-System Moodle basiert, habe man ein Update angefordert. »Das Arbeiten funktioniert jetzt wieder«, sagt Klesmann.

Jedoch traut man offenbar in der Verwaltung auch der angepassten Variante der eigenen Unterrichtsplattform nicht zu, die im nunmehr bis zum 31. Januar verlängerten Lockdown große Nachfrage nach digitalen Lehr- und Lernmöglichkeiten störungsfrei zu beherrschen. Am Dienstag gab Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) grünes Licht für die Nutzung der kommerziellen Lern- und Kommunikationsplattform itslearning. Dieses kostenpflichtige Tool einer norwegischen Entwicklerfirma wolle man den Schulen schnell zur Verfügung stellen, wie Sprecher Klesmann bestätigt. Derzeit kläre man noch Details – etwa, ob Berlin eine allgemeine Landeslizenz erwirbt, oder pro Nutzer abgerechnet wird. Pro Nutzer und Jahr kostet laut Unternehmenswebseite eine Basis-Lizenz acht Euro, Mengenrabatte sind möglich.

Bremen hatte bereits 2015 einen Vertrag mit itslearning geschlossen, die dortige Bildungsgewerkschaft GEW schätzte die Kosten auf zwei Euro pro Schüler und Jahr. Neben Schleswig-Holstein nutzt auch Mecklenburg-Vorpommern den Anbieter. Mitte Dezember waren die Server nach einer Ausweitung des Nutzerkreises zusammengebrochen.

Berlins Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk wird das Angebot vor dessen berlinweiter Einführung unter die Lupe nehmen. Dem Lernraum Berlin attestierte sie kürzlich erhebliche Datenschutzmängel, sah aber bereits deutliche Verbesserungen. Laut itslearning werden die Vorgaben der europäischen Datenschutzgrundverordnung erfüllt.

Bildungsverwaltungssprecher Klesmann betont, dass mit dem Programm das landeseigene Angebot nicht ersetzt werden soll. »Die Plattform ist als Ergänzung gedacht.« Man wolle weiter mit dem Lernraum Berlin arbeiten und diesen kontinuierlich erweitern. Immerhin hat das Land schon eine Menge Geld in die Entwicklung der Plattform gesteckt, die 2004 als digitales E-Learning-Leuchtturmprojekt an den Start gegangen war. Wie viel genau, konnte Klesmann nicht beziffern.

»Homeschooling ist für manche kaum möglich«

Die Diakonie fordert die digitale Beteiligung für alle Menschen in Armut innerhalb der nächsten vier Jahre.

Bereits seit geraumer Zeit arbeitet die Bildungsverwaltung an einer Positivliste, auf der pädagogisch sinnvolle und datenschutzgerechte Lernplattformen zusammengestellt sind. Dies ist zusammen mit der eine Abkehr vom Alleinstellungsmerkmal des Lernraums.

Der Berliner GEW-Landesvorsitzende Tom Erdmann begrüßt das. »Es ist ein großes Ärgernis für alle an der Schule Beteiligten, dass der digitale Lernraum bisher nicht verlässlich funktioniert hat«, sagt er. Kollegen berichteten zwar, dass die Technik beim Landesprogramm seit dem ersten Lockdown im März schon verbessert wurde. »Aber in der aktuellen Situation ist es unerlässlich, auch auf private Anbieter von E-Learning-Plattformen zurückzugreifen, um dem Recht auf Bildung gerecht zu werden.« Die Weiterentwicklung des Lernraums Berlin dürfe aber nicht auf der Strecke bleiben, da Distanzlernen und Homeschooling weiter präsente Themen sein werden.

Das findet auch Stefanie Remlinger, Expertin für Schul-Digitalisierung der Berliner Grünen-Fraktion. »Die Not ist groß«, sagt sie mit Blick auf den holprigen Lernraum-Start nach den Ferien. Es sei daher richtig, auch andere Lernmanagementsysteme zu verwenden.

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