Regierung in Italien streitet über EU-Hilfen

Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi droht mit dem Rückzug seiner Partei Italia Viva aus der Koalition

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.

Italien steht am Rande einer neuen Regierungskrise. Die Mehrheit der Koalition aus Demokratischer Partei, 5-Sterne-Bewegung und der linken Bewegung »Liberi e Uguali« (Frei und Gleich), die hinter Premier Giuseppe Conte steht, wackelt gehörig. In den Medien spricht man von Regierungsumbildung und sogar von Neuwahlen. Und das alles, während das Coronavirus weiter im Land wütet. Eigentlich ein völlig ungeeigneter Moment für eine Regierungskrise.

Diese absurde Situation versteht man besser, wenn man sich noch einmal vor Augen führt, wie es zu dieser Regierung gekommen ist. Aus den Wahlen vom März 2018 ging ein Parlament hervor, das keine wirkliche Mehrheit einer Seite aufweist. Die bei weitem stärkste Fraktion wurde die 5-Sterne-Bewegung, die über 30 Prozent der Stimmen erhielt. Diese hatte auf die absolute Mehrheit gehofft und war auf Koalitionsverhandlungen nicht eingestellt. Gespräche mit der Demokratischen Partei wurden schnell abgebrochen und nach langem Hin und Her verbündete sich die Bewegung mit der neofaschistischen Lega von Matteo Salvini; Ministerpräsident wurde der unbekannte und politisch unerfahrene Anwalt und Juraprofessor Giuseppe Conte. Ein Jahr später brach das Bündnis wieder auseinander und ein neues wurde gebildet mit der Demokratischen Partei - wieder unter der Leitung von Conte.

Von Anfang an stand auch dieses sowohl politisch wie numerisch auf wackeligen Beinen, was noch dadurch verstärkt wurde, dass der ehemalige Ministerpräsident Matteo Renzi die Demokraten verließ und seine eigene Partei Italia Viva (Lebendiges Italien) gründete. Dann kam Corona und führte zu einer absoluten Ausnahmesituation, die die Regierung relativ gut handhabte; Conte wurde zum beliebtesten Politiker des Landes. Aber jetzt hat sich das Klima wieder verschlechtert. Einer der wichtigsten Gründe ist der Geldregen, der möglicherweise bald aus Brüssel fließen wird. Man spricht von fast 209 Milliarden Euro, teils als Zuschüsse und teils als Kredite. Dafür muss Italien aber erst einen detaillierten Plan vorlegen und auflisten, wofür das Geld benutzt werden soll.

Die 5-Sterne-Bewegung und die Demokratische Partei haben zum Teil sehr unterschiedliche Vorstellungen, aber man hatte das Gefühl, dass sie sich irgendwie zusammenraufen könnten - wenn da nicht Matteo Renzi wäre. Der droht jeden Tag damit, seine Ministerin aus der Regierung abzuziehen und wirbt für eine neue, breiter aufgestellte Exekutive, in der mehr oder weniger alle Parteien vertreten sein sollten - von Berlusconi über die Lega und die 5-Sterne bis zu den Demokraten. Dabei stellt er permanent neue Forderungen: Mal verlangt er, dass der Ministerpräsident die politische Verantwortung für die Geheimdienste ablegt, mal ist er gegen das Komitee für die Ausarbeitung der Richtlinien für die EU-Gelder, mal greift er einzelne Minister an und dann wiederum beklagt er sich darüber, dass seine Partei nicht genügend in die wesentlichen Entscheidungen einbezogen wird.

Selbst den alten Hasen der italienischen Politik ist nicht klar, welche Ziele der ehemalige Bürgermeister von Florenz wirklich verfolgt. Einige nehmen an, dass Renzi Nato-Generalsekretär werden möchte oder ein hohes Amt in der Uno anstrebt. Ein Ministeramt in der italienischen Regierung hat er bisher immer abgelehnt. Aber er treibt die Lage immer weiter auf die Spitze - nur Neuwahlen will er nicht. Und das ist auch nicht weiter verwunderlich, da seine Partei bei Umfragen heute bei knapp drei Prozent liegt und somit im nächsten Parlament wahrscheinlich nicht vertreten wäre. Würde jetzt gewählt werden, würden die 5-Sterne-Bewegung auf knapp 15 Prozent schrumpfen und die Demokraten bei 22 Prozent liegen: Die rechten und ultrarechten Parteien hätten wohl die Mehrheit, wobei die Lega in den Umfragen fast von der noch weiter rechts stehenden Partei »Fratelli d'Italia« eingeholt werden würde. Offensichtlich wird Italien ein Spiel gespielt, dessen Folgen derzeit niemand absehen und das den Protagonisten jederzeit aus der Hand gleiten kann - Mitten in der Coronakrise.

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