Schockstarre im Kaninchenbau

Die US-Republikaner sind Donald Trump immer weiter nach rechts gefolgt – einige sind nun schockiert

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 4 Min.

»Wenn wir Donald Trump wählen, werden wir zerstört werden.« Diese düstere Prophezeiung von Lindsey Graham stammt aus dem Republikaner-Vorwahlkampf 2016, als Donald Trump gerade dabei war, zum Präsidentschaftskandidaten zu werden, und die Unterwerfung der Partei noch ganz am Anfang stand. Lange hat es gedauert, doch in diesen Tagen ist die Vorhersage dabei, sich zu erfüllen. Graham selbst kann als Spiegelbild für die Entwicklung der Partei gesehen werden. Der Senator aus South Carolina, der vorher sein Image als Maverick gepflegt hatte, als stolzer unabhängiger Geist, der auch mal gegen die Parteilinie stimmt, warnte zunächst vor Trump. Nachdem sich der polternde Immobilienmultimillionär in der Vorwahl durchgesetzt hatte, fiel auch Graham um, reihte sich ein – wie viele andere. Graham wurde gar zu einem echten Trump-Cheerleader, verteidigte 2019 den US-Präsidenten leidenschaftlich im Amtsenthebungsverfahren.

Es folgten viele peinliche und absurde Verrenkungen der Republikaner in den Trump-Jahren, um es ihrem Präsidenten recht zu machen. Dabei ist man ihm immer weiter nach rechts in den Kaninchenbau rechter Verschwörungstheorien gefolgt. Viele Republikaner im Repräsentantenhaus sind erst unter Trump und mit dessen Segen ins »House« gewählt worden, zuletzt auch zwei QAnon-Unterstützerinnen. Eine Mehrheit kommt aus ländlichen konservativen Wahlkreisen. Die größte Bedrohung ihres Mandates lauert in einer Vorwahlherausforderung. Trump und besonders sein Sohn Don Jr. haben – wie früher schon – in den letzten Tagen erneut angekündigt, im schon bald beginnenden Vorwahlkampf für die Zwischenwahlen 2022 nicht ausreichende Unterstützung für den Präsidenten bestrafen zu wollen. Das Ergebnis: 121 von 199 Republikanern im Repräsentantenhaus und sechs der 52 Republikaner-Senatoren stimmten für einen Einspruch gegen die Wahlleutestimmen aus Arizona. Einige erklärten indirekt, man tue dies ja nur, um dem Präsidenten einen Gefallen zu tun. Sechs Senatoren änderten, offenbar erschrocken über die Geister, die die Partei rief und die dann das Parlament gestürmt hatten, in letzter Minute ihre Position.

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Eine YouGov-Umfrage vom Donnerstag zeigt, wie gespalten die Partei ist. 45 Prozent der Anhänger der Republikaner äußerten Unterstützung für die »Stürmung des Kapitols, um gegen die Zertifizierung des Wahlsieges von Joe Biden zu protestieren«. Die Partei ist gleich mehrfach gespalten in den Trump-Flügel, der aktuell im Repräsentantenhaus die größte Gruppe stellt, und die Konservativen alter Schule um Mitt Romney, Mitch McConnel und Mike Lee, die mächtig genug sind in ihren Staaten, um Trump Paroli bieten zu können – wenn sie wollen. Einige wenige eher Moderate um Lisa Murkowski aus Alaska und Susan Collins müssen eine gewisse Distanz zu Trump halten, um in Wechselwählerstaaten wieder gewählt zu werden.

Vertreter des Establishments, Leute vom Wirtschaftsflügel und die zum Teil mittlerweile im medialen Exil als Kommentatoren im liberalen Kabelfernsehen agierenden Never-Trump-Republikaner machen sich seit 2016 Sorgen um die Wählbarkeit der Partei. Die befindet sich seit Trump in einer strategischen Zwickmühle: Donald Trump kann wie keine anderer die Basis mobilisieren, aber verschreckt wichtige Wähler in der Mitte. Außerdem mobilisiert seine Politik Wähler für die Demokraten. Wahlstrategen der Republikaner fürchten daher: Sollte Trump weiter in der Politik mitmischen, könnten sich die Republikaner auf Jahre ins parlamentarische Abseits befördern. Die Never-Trump-Republikaner hoffen auf eine Läuterung der Partei, nachdem Trump nicht mehr Präsident ist. Doch das ist zweifelhaft, schließlich rückt die Partei nicht erst seit Trump nach rechts. Zudem verfügt die aktivistische Trump-Basis über viel Geld und ist gut vernetzt.

Die Bilder von der Erstürmung des Kapitols kommen nicht gut an in staatstragenden weißen Akademiker-Haushalten in Amerikas Vororten. Noch-Senatsmehrheitsführer Mitch McConnel, in den letzten Jahren der mächtigste Republikaner nach Donald Trump, weiß das. Er hatte sich in den letzten Jahren mit Trump arrangiert, ihn im Wahlkampf 2020 aber nur zögerlich unterstützt, hatte etwa das Aussenden von Direktgeldzahlungen als Konjunkturhilfe verzögert und sich in den letzten Wochen eine versteckte Fehde mit dem US-Präsidenten um Coronakrisen-Direktgeldzahlungen an die Amerikaner geliefert. Erst blockierte er im Herbst die Verabschiedung eines Hilfspaketes, das Trump vermutlich im Wahlkampf geholfen hätte.

Der zahlte es McConnell zurück mit seiner abrupten Forderung vor Weihnachten, die Zahlungen auf 2000 Dollar zu erhöhen, und sabotierte damit McConnells Unterstützung des Wahlkampfes der Republikaner-Senatoren in Georgia. Das Ergebnis der Stichwahlen zum US-Senat im »peach state« zeigt: Mit den Schecks lassen sich Wahlen gewinnen – und verlieren. Am Tag, nachdem das Ergebnis in Georgia fest stand, änderte McConnel plötzlich seine zuvor zwar distanzierte, aber loyale Rhetorik und stellte sich klar gegen die rechte Kampagne gegen die Zertifizierung der Wahlleute-Stimmen für Joe Biden.

Auch Lindsey Graham hat übrigens wieder auf den Pfad der Tugend zurückgefunden – beziehungsweise offenbar entschieden, dass es aktuell politisch opportuner ist, sich zumindest in diesem Punkt gegen Trump zu stellen. Er erklärte bei der Zertifizierung der Wahlleute-Stimmen am Mittwoch, offenbar die Kapitol-Stürmung ablehnend: »Es ist vorbei, Joe Biden ist legitim gewählt und wird ab dem 20. Januar der Präsident sein.«

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