- Politik
- Kommunistische Partei Italien
Nicht nur »Don Camillo und Peppone«: Vor 100 Jahren wurde die KPI gegründet
Das Jubiläum in der einstigen Partei-Hochburg in Livorno wird ausgerechnet von einem Christdemokraten organisiert
Rom. Einige Nischen des Aquädukts, das Rom in der Antike aus dem Südosten der Stadt mit Wasser versorgte, sind noch immer verputzt. Bis in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts lehnten Baracken an der Wasserleitung aus dem ersten Jahrhundert. Heute dient die Straße am Aquädukt Joggern und Familien mit Kindern als Parkersatz. Die Überreste der Barackensiedlung gehören zum malerischen Ambiente. Pier Paolo Pasolini beschrieb in den 50er Jahren dort im Matsch spielende Kinder der dortigen Familien als Subproletariat. In seinen Filmen und Romanen spielten sie eine ebenso wichtige Rolle wie für die Kommunistische Partei Italiens (KPI).
Die Parteimitglieder der KPI bemühten sich in der Barackensiedlung am Aquädukt, durch Sozialarbeit die dortigen Lebensbedingungen zu verbessern und ein Bewusstsein für die Rechte der Bewohner zu schaffen. Diese gehörten gemeinsam mit Arbeitern vor allem im industrialisierten Norditalien sowie Akademikern und Künstlern aus linken Milieus zur Basis der Partei.
In der Nachkriegszeit war die KPI die größte kommunistische Partei außerhalb der Sowjetunion. Um deren mögliche Regierungsbeteiligung zu verhindern, schmiedeten US-Geheimdienste mit Hilfe von rechten Parteien Umsturzpläne, die im Fall eines Wahlsiegs hätten umgesetzt werden sollen.
Nachdem die KPI 1989 begann, sich von ihren kommunistischen Ursprüngen zu lösen, ist die italienische Linke heute so gespalten, dass ausgerechnet ein Vertreter des ehemaligen politischen Gegners die Feierlichkeiten zum 100. Gründungstag der KPI am 21. Januar organisieren möchte. Der einstige Christdemokrat Matteo Renzi wurde als Sozialdemokrat 2014 italienischer Ministerpräsident.
Zum 100. Jahrestag der Parteigründung der KPI in Livorno lud er Tony Blair in die toskanische Hafenstadt ein. Dort spalteten sich die Kommunisten vor hundert Jahren von der Sozialistischen Partei Italiens (PSI) ab. Die Nostalgie nach den Glanzzeiten der KPI spiegelt sich im Protest gegen die Einladung von Blair. Der ehemalige britische Premierminister gilt als Miterfinder einer neoliberalen Wende.
Livorno hat sich von der Wiege des Kommunismus mit einem der wichtigsten italienischen Häfen zu einem Anlegeplatz von Kreuzfahrtschiffen gewandelt. Anstatt Frachter werden dort Luxusjachten gefertigt. Die Veränderung spiegelt die Entwicklung der KPI von der einstigen Volkspartei zu einer sozialdemokratischen politischen Kraft, die vor allem von wohlhabenden Bewohnern teurer Innenstädte gewählt wird. Im Wahlkampf von 1958 warb die KPI noch stolz mit einem zu einer futuristischen Mischung aus Trägerrakete und Sputnik-Satellit umgebauten Auto um Stimmen.
»Don Camillo und Peppone«-Filme führten in den 50er und 60er Jahren auch einem deutschen Publikum den ewigen Zwist zwischen einem Pfarrer und einem kommunistischen Bürgermeister als komischen Wettbewerb zweier bester Feinde vor. Dabei waren die Ursprünge der KPI aus dem Widerstand gegen den italienischen Faschismus unter Benito Mussolini alles andere als vergnüglich.
Die ehemalige Gesundheitsministerin Livia Turco beklagt 30 Jahre nach der Lösung der Partei vom Kommunismus das »Fehlen einer großen Volkspartei, die Gemeinschaft schafft«. Die alte Partei werde nicht wieder erstehen, sie hinterlasse aber eine »große Geschichte, eine große und lebendige Lektion, aus der wir schöpfen können und müssen«, schreibt sie voller Nostalgie in einem Buch mit Lebensgeschichten von KPI-Parteimitgliedern.
Bereits in den 1980er Jahren verwandelte sich die KPI in eine sozialdemokratische Partei, die später mit ehemaligen Christdemokraten zur heutigen Demokratischen Partei (PD) fusionierte. »Wir waren für eine Revolution verantwortlich, indem wir die Irrenhäuser schlossen, für Arbeiterrechte sorgten, für das Recht auf Abtreibung und Ehescheidung«, sagt die 65-jährige Turco. Heute gebe es das Engagement nicht mehr, das für diese Reformen nötig war.
Wie stark die KPI auch zu ihren Glanzzeiten vom Katholizismus geprägt war, zeigte der anfängliche Widerstand gegen den Kampf für ein Recht auf Ehescheidung und der Ausschluss von Pasolini im Jahr 1949. Dessen Homosexualität verstieß gegen die damaligen Wertvorstellungen der Partei. epd/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.