Scheeres versinkt im Öffnungschaos

Die Präsenzunterrricht in den Schulen ist zwar ausgesetzt, der Unmut über die SPD-Bildungssenatorin bleibt

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 3 Min.
Schulen und Corona – Scheeres versinkt im Öffnungschaos

Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus ist immer noch fassungslos über das Agieren der Senatsbildungsverwaltung in der vergangenen Woche. »Der ursprüngliche Beschluss, die Schulen für weit über 100 000 Schülerinnen und Schüler zu öffnen, war nicht unglücklich. Er war schlichtweg falsch«, sagt Regina Kittler am Montag zu »nd«.

Neue Regelungen mit neuen Ausnahmen

Anders als ursprünglich angekündigt, wird es an Berlins Schulen vor dem 25. Januar nun doch keine generelle Präsenzpflicht geben. Ob überhaupt und wenn ja für welche Jahrgangsstufen es danach »vorbehaltlich des Infektionsgeschehens« im Wechselunterricht weitergeht, will die Bildungsverwaltung am Dienstag in einer Woche entscheiden.


Für die Abschlussklassen der weiterführenden Schulen gelten Ausnahmen. So steht es den Schulleitungen frei, in Abstimmung mit den Elternvertretungen und der Schulaufsicht die entsprechenden Jahrgänge in kleinen Lerngruppen tage- oder wochenweise in den Schulen selbst unterrichten zu lassen. Die Definition von »Abschlussklassen« beschränkt sich dabei nur noch auf die Jahrgangsstufen 10 und 12 an Gymnasien sowie 10 und 13 an Sekundar- und Gemeinschaftsschulen.


Abgespeckt wird auch bei den Prüfungen zum Mittleren Schulabschluss. Wie 2020 soll es auch in diesem Jahr keine schriftlichen Prüfungen geben, mündliche Prüfungen finden statt.

Wie berichtet, hatte der Schlingerkurs von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) in der Frage der Teilöffnungen der Schulen für erheblichen Unmut gesorgt, unter Lehrkräften und Erziehern ebenso wie unter Eltern und Schülern. Denn eigentlich hätten ab diesem Montag fast alle Jahrgangsstufen der weiterführenden Schulen in geteilten Gruppen tage- oder wochenweise wieder die Schulbänke drücken müssen. Erst am Freitagabend folgte die Kehrtwende. Die generelle Präsenzpflicht ist nun vorerst bis zum 24. Januar vom Tisch.

Die Verärgerung ist damit aber noch lange nicht verflogen. Sie ist nach wie vor groß. »Es kann doch nicht sein, dass es bei solchen Entscheidungen keinerlei Rückkopplungen mit den bildungspolitischen Sprecherinnen und Sprechern der Faktionen gibt«, sagt Linke-Politikerin Regina Kittler. »Ich hätte sofort gesagt: Das geht nicht.«

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hatte zuletzt immer lauter gegen die Teilöffnungspläne getrommelt. Am Montagvormittag übergaben Gewerkschafter der Bildungsverwaltung schließlich eine Liste mit über 47 000 Unterschriften, die innerhalb weniger Tage im Rahmen einer privat initiierten Online-Petition gegen den Präsenzunterricht an Berlins Schulen zusammengekommen waren. Dass die generelle Präsenzpflicht nun zwei weitere Wochen ausgesetzt ist, verbucht die GEW – wenigstens zum Teil – auch als eigenen Erfolg. »Wir haben ordentlich Druck gemacht«, sagt der GEW-Landesvorsitzende Tom Erdmann.

Aus Protest hatte die Gewerkschaft am Freitag – noch vor der Rücknahme der Teilöffnungsregelung – bereits ihre Mitarbeit im Hygienebeirat für beendet erklärt. Das zu Schuljahresbeginn von Bildungssenatorin Scheeres ins Leben gerufene Gremium besteht unter anderem aus Wissenschaftlern, Schulpraktikern, Eltern- und Schülervertretern – und bisher eben der GEW. »Frau Scheeres hat sich im Nachhinein immer auf angebliche Beschlüsse des Hygienebeirats berufen. Dabei konnten wir überhaupt nichts beschließen«, begründet Co-Vorsitzende Doreen Siebernik gegenüber »nd« den Schritt. Für Erdmann ist der Beirat deshalb kaum mehr als »eine Alibiveranstaltung«.

Bei der Senatsbildungsverwaltung sieht man das freilich anders. Wie Scheeres’ Sprecher Martin Klesmann betont, würde die Gewerkschaft offenbar die Rolle des Hygienebeirats missverstehen. »Wie der Name schon nahelegt, soll er die Bildungsverwaltung beraten, aber keine Entscheidungen fällen«, so Klesmann zu »nd«. Durchaus diplomatisch verpackt, weist er zudem daraufhin, dass auf der Beiratssitzung am vergangenen Montag »sehr wohl auch breiter diskutiert wurde«, ob nun als erstes die Grundschüler oder die abschlussrelevanten Jahrgänge wieder im Teilpräsenzbetrieb unterrichtet werden. »Dass sich die GEW in der Gremiumsitzung für die teilweise Öffnung der Schulen ausspricht und sich im Nachhinein als Gegnerin etwaiger Schulöffnungen positioniert, finde ich dann schon seltsam«, so Klesmann.

Auf nd-Nachfrage will GEW-Chef Tom Erdmann dann auch gar nicht in Abrede stellen, dass sich die Ablehnung der Teilöffnung »in dieser Schärfe erst in den nächsten Tagen entwickelt hatte«, wobei er zuvorderst auf die gestiegenen Infektionszahlen verweist. Gleichwohl bleibt er dabei, dass es – anders als später kolportiert – über entsprechende Öffnungsszenarien auf der Sitzung vor einer Woche »keine ernsthaften Diskussionen« gegeben habe.

Linke-Politikerin Regina Kittler hat Verständnis für den Rückzug der GEW aus dem Beirat. »Die haben sich da über den Tisch ziehen lassen und wollen sich im Nachgang nicht länger in Haftung nehmen lassen«, so die Bildungsexpertin. Insgesamt, so Kittler, müsse man ohnehin vor allem die Rolle des Koalitionspartners SPD in dem Entscheidungschaos kritisch hinterfragen. Von Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller kam nun immerhin eine Art Zerknirschtheit. Auch er gebe zu, »dass es natürlich nicht gut gelaufen ist und wir da einen Fehler gemacht haben in der Kommunikation«, sagte der SPD-Politiker am Montag.

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