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Kompromiss zu Kinderrechten
Kritik an Formulierung der geplanten Grundgesetzänderung
Nach jahrelangen Forderungen von Kinderschutzverbänden und koalitionsinternen Verhandlungen zur Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz haben sich Union und SPD auf einen Kompromiss geeinigt. »Nach langem Ringen haben wir jetzt eine Formulierung gefunden, die für beide Seiten akzeptabel ist«, teilte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) am Montagabend mit. Jetzt müssten die nächsten Schritte folgen, damit die Grundgesetzänderung noch in dieser Legislatur abgeschlossen werden könne.
Laut Informationen des ARD-Hauptstadtstudios ist demnach eine Ergänzung des Artikel 6 geplant, in dem das Verhältnis zwischen Eltern, Kindern und Staat geregelt ist. Dort solle es den Angaben zufolge zusätzlich heißen: »Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt.« Für die notwendige Änderung des Grundgesetzes braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat. Das heißt, dass auch Teile der Opposition zustimmen müssten.
Für die Grünen signalisierte am Dienstag Katrin Göring-Eckardt, dass ihre Fraktion dem Kompromiss diese Zustimmung versagen werde. Die Fraktionschefin kritisierte die Formulierung, das Wohl des Kindes solle »angemessen« berücksichtigt werden. Sie erklärte: »Was wir brauchen ist, dass Rechte ganz klar und eindeutig verbrieft sind.« Der Formulierung, auf die sich die Koalition geeinigt habe, »werden wir nicht zustimmen«.
Für die Linksfraktion im Bundestag erklärte deren kinder- und jugendpolitischer Sprecher, Norbert Müller: »Dass die Bundesregierung zum Ende der Wahlperiode nun einen Vorschlag auf den Tisch legt, um die Vereinbarung im Koalitionsvertrag zur Aufnahme von Kinderrechten im Grundgesetz umzusetzen, ist zu begrüßen, dass sie damit allerdings unter die Standards der UN-Kinderrechtskonvention fällt, ist nicht hinnehmbar.« Dies dürfe nicht das Ergebnis eines gesellschaftlichen Diskurses aus drei Jahrzehnten sein. »Wir fordern die Bundesregierung auf, einen Vorschlag auf den Tisch zu legen, der eine Stärkung der Kinderrechte insbesondere bezüglich Förderung, Beteiligung und Schutz beinhaltet«, so Müller.
Auch das Aktionsbündnis Kinderrechte, bestehend aus Deutschem Kinderhilfswerk, Kinderschutzbund, Unicef Deutschland und einer Kooperation mit der Deutschen Liga für das Kind, begrüßt zwar, dass es nach langer Zeit nun einen Formulierungsvorschlag gibt. Allerdings bemängeln auch die Kinderschutzorganisationen, dass zum Beispiel »die Formulierungen zum Kindeswohl sowie zum Recht des Kindes auf Beteiligung« hinter der UN-Kinderrechtskonvention und »auch hinter der geltenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurückbleiben«. So dürfe etwa die Beteiligung von Kindern sich nicht auf das rechtliche Gehör beschränken, sondern müsse als umfassendes Beteiligungsrecht formuliert werden.
»Gerade in der aktuellen Covid-19-Pandemie hat sich gezeigt, dass die Rechte und Belange von Kindern und Jugendlichen zu oft übersehen werden. Wir fordern alle Fraktionen im Bundestag deshalb auf, sich für eine Verbesserung der Formulierung stark zu machen und das parlamentarische Verfahren in diesem Sinne konstruktiv zu begleiten«, so das Aktionsbündnis.
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