- Politik
- CDU/CSU
Ein Lächeln an die Grünen
Das Führungspersonal der Union schickt sich in die parteipolitischen Realitäten.
In der Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat, vor etwa 20 Jahren, hofften Linke, dass sich Schwarz-Grün-Prophezeiungen nicht erfüllen mochten. Heute sind alle Illusionen verflogen. Grüne und Union stehen offenbar vor einer Koalition im Bund, die sie in drei Ländern bereits geprobt haben - in Hamburg (2008 bis 2010), Hessen (seit 2014) und in Baden-Württemberg (seit 2016, hier unter Führung der Grünen). Mit der Bundestagswahl im September kommt die nächste Gelegenheit, Umfragen schaffen zunehmend Gewissheit.
Die Grünen verweigern zwar kokett jede Bindungszusage, aber lassen keinen Zweifel an ihrer Regierungslust. Und die Konservativen bieten offenbar eine sichere Regierungsbank. In politischen Analysen wird bereits die Versöhnung der Grünen mit ihrer bürgerlichen Herkunft konstatiert, die den Punkt unter den Ausreißversuch der Rebellen setzt, die einst die Grünen schufen. Obwohl sich in deren Anfangsphase die Parteilinken durchsetzten, die eher als Abkömmlinge der SPD galten; entsprechend beleidigt reagierten damals die Sozialdemokraten.
Es ist trotzdem die CDU, auf die nun alles schaut. Dieses Wochenende wird eine Vorentscheidung auch darüber bringen, wie glatt der Weg zu Schwarz-Grün wird, welche Schlaglöcher lauern. Für viele Konservative gleicht Schwarz-Grün ohnehin einer Verabredung mit Luzifer auf dem Jakobsweg. Unter Anhängern der Union hält sich hartnäckig das Feindbild der Grünen als Politrabauken und linke Chaoten. Doch dass man mit den Grünen konservative Politik machen kann, hat sich herumgesprochen. CSU-Chef Markus Söder findet inzwischen, dass Schwarz-Grün einen großen Reiz hätte, weil beide Seiten die »ganz großen Fragen unserer Zeit« im Blick hätten. So die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie.
Anschlussstellen finden sich also. Die drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz übertrumpften sich in ihren Vorstellungsrunden für die Parteibasis gegenseitig, wenn die Rede auf Klima und Ökologie kam. Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen - alle drei haben sich darauf eingestellt, dass an den Grünen kein Weg vorbeiführt. Um dennoch den Granitflügel der eigenen Partei vor dem Abrutschen in ein Stimmungstief zu bewahren, schoben sie den Avancen an die Grünen markige Ankündigungen zur inneren Sicherheit hinterher. Clankriminalität und ausländische Gefährder, die man abschieben wolle, noch bevor sie etwas »gemacht« hätten, boten eine Szenerie hierfür.
Das ist schon eines der Themen, bei denen es schwierig wird. Und als ob sie alles noch schwieriger machen wollten, schrauben die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck derzeit an kessen Forderungen im vernachlässigten Bereich der Sozialpolitik: Garantiesicherung statt Hartz, Reform des Gesundheitssystems, Abschaffung der Schuldenbremse und 500 Milliarden Euro öffentliche Investitionen. Das wirkt wie ein Kopfstoß gegen den potenziellen Partner, der entsprechend gereizt reagierte und von »ökonomischem Wahnsinn« sprach.
Doch gemach, die Grünen waren noch nie um Ausreden verlegen, wenn es um Begründungen für das Räumen eigener Positionen ging. Und selten hatte dies so sichtbare Konsequenzen wie den roten Farbbeutel am Kopf von Joschka Fischer, als der seiner Partei erklärte, warum ein Krieg in Jugoslawien notwendig sei. So gilt etwa die Verkehrspolitik als eines der schwarz-grünen Konfliktthemen. Mobilität entscheidet mit über das Tempo des Klimawandels. Was die Grünen in Hessen nicht daran hindert, einen umstrittenen Autobahnbau durchzupauken.
Vieles wird von den handelnden Personen abhängen. Am berechenbarsten scheinen die Aussichten für Schwarz-Grün im Falle eines CDU-Vorsitzenden Armin Laschet. Der NRW-Regierungschef als bekennender Bewahrer des Merkel-Kurses steht auch für deren wiederholte Bereitschaft, die Grünen ins Regierungsboot zu holen. 2014 ließ die Ökopartei selbst noch die Sondierungen platzen. 2017 scheiterte eine Jamaika-Koalition schon nicht mehr an den Grünen. Vielmehr zog Christian Lindners FDP die Reißleine. Die Grünen hatten da genug Kröten geschluckt, dass es einem Teil ihrer Basis schlecht zu werden drohte. Doch abgesprungen waren sie nicht.
Norbert Röttgen war bereits in den 90er Jahren in Bonn unter den Jungpolitikern der »Pizza-Connection«, die CDU und Grüne auf Gemeinsamkeiten abklopften. Röttgen, der mit weltläufiger und aufgeschlossener Konversationsfreude aufwartet, dabei aber beinharte Positionen über die Bekehrungsmission des Westens in einer feindseligen Welt vertritt, würde mit den Grünen zumindest in der Außenpolitik schnell übereinkommen.
Am schwersten mit der Ökopartei tut sich Friedrich Merz, der sich mit abweichenden Positionen generell schwertut. Der Mann, der es mit seinen 1,98 Metern fertigbringt, sein Gegenüber stets von unten anzublicken, weil er den Kopf angriffslustig gesenkt hält, hegt die Grundabneigung der besonders konservativen Teile seiner Partei gegen die Grünen. Eine Koalition ablehnen hörte man ihn jedoch in den Vorstellungsrunden nie. Vielleicht macht er noch die Erfahrung Alexander Dobrindts, der lange als »Grünen-Fresser« galt. Nach den erfolglosen Sondierungen im Januar 2014 bescheinigte der damalige CSU-Generalsekretär diesen, es habe »kein Problem gegeben, das nicht überwindbar war«.
Das ist nun sieben Jahre her. Doch erst im Herbst wird sich der Spekulationsnebel endgültig verziehen. Sechs Landtagswahlen dürften für spontane rhetorische Kunstfiguren und Richtungswechsel sorgen. Erst recht ein Geheimnis wird es bleiben, wie die Grünen mit der Union einen ökologischen Umbau bewerkstelligen wollen, der auch noch sozial ist. Erst recht, wenn es wie 2017 einen dritten Partner für eine Koalition brauchte - die FDP.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.