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- Grüne Woche
Ohne Landluft, ohne Häppchen
Die Grüne Woche findet 2021 ausschließlich im Netz statt - in der Brandenburghalle werben Landwirte digital
Mit einem Kameraschwenk über märkische Felder geht es Richtung Oderbruch. Lapidar versichert eine sonore Stimme: »Die Kleinstadt Müncheberg ist seit DDR-Zeiten bekannt für Agrarforschung - und neuerdings auch für Bio-Suppen.« Womöglich sind die veganen Produkte der WDM Fertigprodukt GmbH in Märkisch-Oderland tatsächlich so lecker, wie im Video-Clip versprochen. Unter dem Markennamen »Wünsch Dir Mahl« geht es vom Rohstoffeinsatz bis zur Vermarktung um ökologisch nachhaltige regionale Kost. Nur, aus den Pantinen wird das niemanden werfen, der beispielsweise von der Kartoffelsuppe Marke »wie bei Oma« nicht wenigstens mal gekostet hat. All das, was Bauernhof, Stall und Feld hervorbringen selbst sehen, riechen und dann auch schmecken zu können - war nicht das stets die größte Verlockung, die Scharen von Besuchern jedes Jahr auch in die Brandenburg-Halle 21a auf der Grünen Woche zog?
Corona hat 2021 auch das unmöglich gemacht. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte findet die Internationale Grüne Woche (IGW), die noch vor einem Jahr 1800 Aussteller in den Hallen unter dem Funkturm vereinte und wie stets an die 400 000 Menschen anzog, vollständig digital statt. Auch das Land Brandenburg, das in diesem Jahr zum 31. Mal Gast auf dieser 1926 erstmals veranstalteten Messe ist, muss sich mit einer digitalen Präsenz begnügen. Sogar die Dauer der Verbrauchermesse ist auf ganze zwei Tage, den 20. und 21. Januar, geschrumpft. Ein herber Dämpfer für die märkische Agrar- und Ernährungswirtschaft, für die noch im Vorjahr zur 85. Grünen Woche in Halle 21a zahlreiche Erzeuger in wechselnden Gemeinschaftsschauen geworben haben. Auch Naturlandschaften, die Landkreise, Kommunen, Tourismus- und Berufsverbände sowie Vereine präsentierten sich an den rund 70 Ständen. Diesmal werde es, wie Brandenburgs Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Grüne) am Freitag in einer Online-Pressekonferenz bedauernd ankündigte, nur eine rein virtuelle »BrandenburghalleDigital ’21« geben.
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»Zu dieser Zeit wäre normalerweise der Rundgang des Ministerpräsidenten mit unserem Landwirtschaftsminister erfolgt, heute hätte die Grüne Woche starten sollen, sofern es sie auf dem Messegelände in Berlin gegeben hätte«, erinnerte Ministeriumssprecherin Frauke Zelt. Aus Sicht Brandenburgs sei es natürlich zentrale Aufgabe einer Institution wie der Grünen Woche, Werbung zu machen für die Produkte der Region, sagte Vogel. Die Brandenburg-Halle werde üblicherweise vom Land angemietet und dem regionalen Förderverein Pro Agro zur Verfügung gestellt, der dann die einzelnen Unternehmen, die dort ausstellen wollen, binde. »Für das Land Brandenburg verursacht es zunächst einmal weniger Kosten, eine digitale Internationale Grüne Woche durchzuführen«, so der Minister. »Viel positiver wäre aber, wenn wir dieses Geld, das im Haushalt ja dafür zur Verfügung gestanden hätte, auch für die Brandenburg-Halle hätten einsetzen können, um dann noch intensiver Werbung für unsere Brandenburger Produkte, die Erzeugerinnen und Erzeuger zu betreiben.«
In der virtuellen Brandenburg-Halle werde man zum Beispiel Agrarfirmen aber auch Tourismusregionen in Kurzporträts vorstellen. »Filmische Kost« statt des sonst üblichen Fingerfood, wie Vogel bemerkte. Die Clips seien mit dem Filmbüro Potsdam im Medienhaus auf dem Babelsberger Filmgelände für die Grüne Woche produziert worden. In ihnen gehe es um regionale Wertschöpfung, Regionalmarken als Netzwerke des guten Geschmacks sowie innovatives Marketing. Neben dem Müncheberger Fertigkost-Produzenten WDM, der Teil des Netzwerks Regionalwert AG ist, sind unter anderem der Syringhof Beelitz, der Ökohof Kuhhorst, der Biohof Schöneiche, Gasthof Reuner, Brandenburger Mehl aus Müllrose, Eberswalder Wurst und Peter’s Landwirtschaft aus Werneuchen dabei. Man lernt die regionale Dachmarke Spreewald kennen, das Regionalsiegel Elbe-Elster und das Prüfzeichen des Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin und erfährt mehr über die Sieger des Pro-Agro-Marketingpreises 2021, die Agrarminister Vogel als Schirmherr am 20. Januar ehren wird.
Ein digitales Vernetzungstreffen auf einem virtuellen Marktplatz könne zwar keine echte Grüne Woche ersetzen, auf der geschmeckt und gerochen, frisch gekocht und hitzig auf dem Brandenburg-Abend diskutiert werde, räumte der Grünen-Politiker ein. Die Digitalversion sei aber ein deutliches Signal an die Branche, dass regionale Produkte und gesundes Essen, nachvollziehbare Wertschöpfungs- und Lieferketten, faire Preise und Umweltleistungen für die Gesellschaft, mit und von denen Landwirtinnen und Landwirte leben können, hochaktuelle Themen sind.
Mehr denn je rückt Brandenburg in diesem Jahr das Thema Regionalität in Verbindung mit ökologischem Landbau, Nachhaltigkeit und Klimaschutz in den Fokus. »Während der Corona-Pandemie ist die Nachfrage nach regionalen und nach Öko-Produkten noch einmal gestiegen«, erläuterte der Agrarminister. Das belegen auch Zahlen der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg. Wie Geschäftsführer Michael Wimmer erklärte, seien die Umsätze des Naturkostfachhandels 2020 sprunghaft um etwa 23 Prozent gewachsen. Der Umsatz betrug insgesamt 715 Millionen Euro (2019: rund 580 Millionen).
»Damit der Berlin-Brandenburger Markt besser bedient und umwelt- wie klimaschonender bewirtschaftet werden kann, nimmt das Agrarumweltministerium viele Projekte in Angriff: Wir erarbeiten den Ökoaktionsplan, mit dem die Bioanbaufläche bis 2024 auf 20 Prozent anwachsen soll.« EU-weit solle der Bioanteil bis 2030 sogar auf 25 Prozent steigen, fügte Vogel hinzu. Sein Ministerium werde Wertschöpfungskettenmanager installieren, die Beratung von Betrieben zur Anpassung an den Klimawandel, die Umstellung der Landwirtschaft und Zertifizierungskosten fördern. Und man prüfe die Einführung eines EU-notifizierten Regionalsiegels, mit dem sich Brandenburger Betriebe endlich aussichtsreicher um die Verpflegung in Berliner Kitas und Kantinen bewerben könnten.
Laut Ministeriumssprecherin Zelt werden die Videos am 20. und 21. Januar über die Plattform IGW Digital 2021 Berlin ausgestrahlt, danach sind sie bis 30. April 2021 in der Mediathek der IGW sowie auf der Website des Agrarministeriums zu sehen.
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