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Die gute Luft in Frankfurt
Eintracht-Rückkehrer Luka Jovic trifft gleich zweimal beim Sieg gegen Schalke
Bevor sich die Greenkeeper am Sonntagabend daran machten, die Schäden an der Rasenfläche in der Frankfurter Arena zu beheben, kam noch einmal Luka Jovic aus der Kabine. Ganz alleine. Um einige Sprints zur Formsteigerung zu absolvieren. Dabei hatte die Leihgabe von Real Madrid an alter Wirkungsstätte zuvor wie ein Sportwagen in drei Sekunden von Null auf Hundert beschleunigt. Eine knappe halbe Stunde genügte dem 23-Jährigen, um für Eintracht Frankfurt gegen den FC Schalke 04 (3:1) so oft zu treffen, wie in anderthalb Jahren für den spanischen Renommierverein. »Ich hätte mir ein besseres Comeback nicht vorstellen können. Ich hoffe, dies ist erst der Anfang, und das Beste kommt noch«, schrieb der Doppeltorschütze auf den sozialen Medien zu einem fast schon kitschig anmutenden Comeback.
»Besser kann man ein Drehbuch nicht schreiben«, sagte Frankfurts Trainer Adi Hütter über den serbischen Nationalspieler, den im November vergangenen Jahres noch eine Corona-Erkrankung aus der Bahn geworfen hatte. Warum das Sturmjuwel sofort wieder im tief verschneiten Frankfurter Stadtwald funkelte, konnte Hütter nach erst zwei Trainingseinheiten nicht wirklich erklären. Nur so viel: »Es ist für Jovic wahnsinnig wichtig, dass er dahin kommt, wo er sich wohlfühlt. Dass er zwei solche Traumtore schießt, ist seine Qualität.« Selbst hatte der Rückkehrer überzogene Erwartungen gedämpft: »Spielerisch habe ich mich bei Real weiterentwickelt, aber ich werde Zeit brauchen, bis ich wieder im Rhythmus bin.«
Typischer Fall von Trugschluss. Dem instinktsicheren Stürmer genügte der vierte Ballkontakt, um exakt neun Minuten und 56 Sekunden nach seiner Einwechslung einen perfekten Halbvolley zum 2:1 (72.) anzubringen, den Real-Trainer Zinedine Zidane kaum besser hinbekommen hätte. Dann düpierte Frankfurts Nummer neun seinen überforderten Gegenspieler Ozan Kabak beim 3:1 in der Nachspielzeit noch ein zweites Mal. »Man merkt, dass ihm die Luft hier guttut. Die Tore waren Extraklasse«, schwärmte Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic. Schade nur, dass kein Fan auf den Rängen die Volltreffer bejubeln konnte, zu denen passenderweise auch noch Jovics Kumpel Filip Kostic die Vorarbeit geleistet hatte.
Landsmann Kostic zählte zu den wichtigsten Ansprechpartnern, als das bei Benfica Lissabon überzählige Talent Jovic im Sommer 2017 als Leihspieler erstmals am Main aufschlug. Es dauerte ein bisschen, bis sich der kompakt gebaute Angreifer in der Bundesliga zurechtfand, doch bald feierte Frankfurt ein torhungriges Triumvirat mit Ante Rebic, Sebastian Haller und eben Jovic, das den Beinamen »Büffelherde« bekam.
Das vom Frankfurter Baumeister Bobic geschickt eingefädelte Leihgeschäft soll für alle Beteiligten zur »Win-win-Situation« werden. Die Eintracht besitzt nun eine Entlastung für Toptorjäger André Silva, zudem eröffnet sich für Offensivliebhaber Hütter die Option auf einen Doppelsturm. Eine Europapokalteilnahme würde dem Klub immens helfen, die gewaltigen Umsatzeinbußen aus der Coronakrise abzufedern. Und wer weiß: Wenn der verlorene Sohn erst einmal mitgeholfen hat, wieder auf die internationale Landkarte zu gelangen, könnte bestimmt noch nachverhandelt werden, ob es nicht sinnvoll ist, den bis 2025 an Real gebundenen Spieler noch länger in Frankfurt zu belassen.
Der junge Familienvater verzichtet angeblich auf einen erklecklichen Teil seines auf zehn Millionen Euro bezifferten Jahressalärs. Eintracht konnte sich die Gehaltsanteile von rund zwei Millionen Euro und eine geringe Leihgebühr leisten, weil Großverdiener Bas Dost Heiligabend zum FC Brügge transferiert wurde. Das finanzielle Risiko für die Rückholaktion war also überschaubar. Bobic wähnte sich beim vierten Bundesligasieg hintereinander »wie in einem Hollywoodfilm«, weil gleichzeitig ja auch noch David Abraham gebührend verabschiedet wurde. Als der zu seiner Frau und seinem fünfjährigen Sohn Alfonso nach Argentinien zurückkehrenden Kapitän von Trainer Hütter gedrückt und von Schiedsrichter Manuel Gräfe ein Trikot überreicht bekam, kullerten Tränen über die Wangen des mitunter so raubeinig wirkenden Abwehrspielers.
»Eine lange Reise geht zu Ende. Ich bin froh dass ich meine Karriere hier bei der Eintracht beenden durfte, wo ich so viel bekommen und so viel gegeben haben. Jetzt ist Zeit mit der Familie angesagt«, beschied der 35-Jährige. Freiburgs Trainer Christian Streich übermittelte eine besondere Videobotschaft, in dem er die Aufsehen erregende Rempelei aus dem November 2019 ansprach: »Die Geschichte haben wir ganz gut bewältigt.« Es passte in den rührseligen Gesamtkomplex, dass die Eintracht nun am Mittwoch beim Sportclub antritt und vielleicht erneut den Joker Jovic ausspielt, während Abraham bereits glücklich daheim bei seinen Liebsten weilt.
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