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Die Weltverbrennungsmaschine
Warum ein ressourcenschonender Kapitalismus prinzipiell unmöglich ist
Können Kapitalismus und Klimaschutz vereinbart werden? Für die veröffentlichte Meinung jedenfalls scheint diese Frage längst geklärt. Die Notwendigkeit, die fossile Wirtschaftsweise hinter sich zu lassen, wird diesseits der AfD in der Bundesrepublik kaum noch ernsthaft infrage gestellt. Selbst eine stockkonservative Wirtschaftspartei wie die CDU schafft es inzwischen, in ihren Deklarationen ein Bekenntnis zum Klimaschutz abzulegen. Doch zugleich werden in Nordrhein-Westfalen, kurz nach der Wahl Armin Laschets zum CDU-Chef, ganze Dörfer abgerissen, um die besonders klimaschädliche Braunkohleverbrennung auszuweiten.
Ein ähnlicher Abgrund zwischen schmutziger Realpolitik und luftigem ökologischen Anspruch prägt viele weitere Politikfelder des real existierenden Spätkapitalismus: Die Verpflichtung der EU, den CO2-Ausstoß bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken, kontrastiert mit einer europäischen Agrarreform, die an den ruinösen Strukturen industrieller Landwirtschaft in der Union weitgehend festhält. Die Verkehrswende läuft auf den Umstieg auf die Massenproduktion von Elektro-Pkw hinaus, die mit weit größeren Energieaufwand hergestellt werden müssen, als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor und deren Betrieb nur dann klimaneutral wäre, wenn sie tatsächlich mit »Ökostrom« betrieben würden.
Der Kapitalismus kann CO2 nur im Modus der Krise reduzieren
Die viel diskutierte ökologische Wende scheint insofern vor allem zu einem festen Programmpunkt von Sonntagsreden verkommen zu sein. Alle wollen mehr Klimaschutz - und dennoch scheint die Wirtschaft ihren gewohnten, auf uferloses Wachstum geeichten Gang zu nehmen. Das Problem besteht hierbei darin, dass der Klimawandel als objektiv ablaufender Prozess sich im Gegensatz zur Öffentlichkeit nicht hinters Licht führen lässt von blumiger Rhetorik und leeren Versprechen. Denn entscheidend ist, was das kapitalistische Weltsystem letztendlich fabriziert. Und das sind in dieser Hinsicht seine beständig steigenden Emissionen von Treibhausgasen.
Im gesamten 21. Jahrhundert gab es nur zwei Jahre, in denen der weltweite CO2-Ausstoß zurückging: 2009, während der Weltwirtschaftskrise, die dem Platzen der transatlantischen Immobilienblasen in den USA und der EU folgte, und 2020, aufgrund des heftigen Krisenschubs, der durch den Covid-Lockdown getriggert wurde. Ohne Übertreibung kann daher festgehalten werden, dass die Reduktion von Treibhausgasemissionen in der kapitalistischen Weltwirtschaft nur um den Preis einer gravierenden »Wirtschaftskrise« möglich ist.
Mehr noch: die keynesianischen Maßnahmen zur Krisenbekämpfung, mit denen der Wirtschaftseinbruch von 2009 bekämpft wurde, ließen den globalen CO2-Ausstoß 2010 um 5,9 Prozent hochschnellen, nachdem sie im Vorjahr um 1,3 Prozent zurückgingen. Ähnliches ist auch für 2021 zu erwarten, sollten die konjunkturellen und finanziellen Folgen der Pandemie nochmals eingedämmt und von einer abermaligen Blasenbildung abgelöst werden können. Den deutlichen, krisenbedingten Einbruch der Treibhausgasemissionen von rund sieben Prozent im vergangenen Jahr dürfte dann ein ähnlich hoher Anstieg im Zuge der wirtschaftlichen »Erholung« folgen. Diese Tatsachen deuten auf einen fundamentalen Widerspruch zwischen kapitalistischer Ökonomie und Ökologie hin.
Der Schein trügt in diesem Falle nicht. Ohne Wirtschaftswachstum drohen Stagnation und Krise, wobei das Wachstum des BIP nur der volkswirtschaftliche Ausdruck der Verwertungsbewegung des Kapitals ist, die ursächlich die Klimakrise antreibt. Und spätestens mit dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 dürfte klar geworden sein, dass dieser Prozess der Kapitalakkumulation an die Warenproduktion gekoppelt ist - und nicht etwa auf den Finanzmärkten aufgrund reiner Spekulationsprozesse dauerhaft aufrechterhalten werden kann.
Dasselbe gilt für die Idee einer reinen Dienstleistungsgesellschaft, wie sie in den deindustrialisierten USA scheiterte, wobei gerade der unter Präsident Donald Trump zunehmende Protektionismus die Notwendigkeit einer Waren produzierenden Industrie als eines Fundaments einer kapitalistischen Arbeitsgesellschaft indirekt belegt. Trump hatte ja angekündigt, die USA durch eine protektionistische Reindustrialisierung »wieder groß zu machen«.
Wie gestaltet sich dieser Verwertungsprozess des Kapitals? Der Kapitalist investiert Kapital in Lohnarbeit, Rohstoffe, Maschinen und Produktionsstandorte, um die dort hergestellten Waren mit Gewinn zu veräußern - wobei die Lohnarbeit die Quelle des Mehrwerts ist. Letztendlich akkumuliert das Kapital immer größere Quanta verausgabter, abstrakter Arbeit in diesem uferlosen Verwertungsprozess. Hiernach wird - bei gleichbleibendem Produktivitätsniveau - das vergrößerte Kapital in einem neuen Verwertungskreislauf in mehr Rohstoffe, Energie und so weiter investiert.
Ein hohler, selbstbezüglicher und blinder Prozess
Somit gleicht schon das kapitalistische »Business as usual« einem Prozess der Verbrennung von immer mehr Ressourcen. Das Kapital muss nach seinem ureigensten Antriebsgesetz immer größere Mengen an Energie und Rohstoffen »verfeuern«, um seine Akkumulationsbewegung aufrechtzuerhalten - bis es an seine »äußere Schranke« stößt, die in der Endlichkeit der Ressourcen des Planeten besteht. Der Wachstumszwang dieses Wirtschaftssystems resultiert unmittelbar aus dem Wesen des Kapitals.
Dieser »hohle«, selbstbezügliche Prozess ist allen gesellschaftlichen oder ökologischen Folgen seiner beständig anwachsenden Verwertungstätigkeit gegenüber blind, da er marktvermittelt, auf gesamtgesellschaftlicher Ebene, in seinem Formwandel von Geld über Ware zu mehr Geld eine Eigendynamik entwickelt. Karl Marx hat bekanntlich für diese fetischistische, gesamtgesellschaftliche Selbstbewegung des Kapitals in all seinen Aggregatzuständen den Begriff des »automatischen Subjekts« eingeführt. Die zusehends schwindenden Ressourcen dieser Welt bilden somit das immer enger werdende Nadelöhr, durch das sich dieser irrationale, blind prozessierende Prozess der Kapitalverwertung unter immer größeren Friktionen hindurchzwängen muss.
Entscheidend befeuert wird dieser Prozess der Weltverbrennung durch das immer höhere Produktivitätsniveau der kapitalistischen Weltwirtschaft. Es scheint auf den ersten Blick absurd, aber es sind gerade die ungeheuren Produktivitätssteigerungen der spätkapitalistischen Warenproduktion, die zur Eskalation der ökologischen Krise maßgeblich beitragen. Da die Lohnarbeit die Substanz des Kapitals bildet, nötigen die permanenten Steigerungen der Produktivität den Spätkapitalismus dazu, die »effiziente« Verschwendung von Ressourcen und Rohstoffen ins Extrem zu treiben. Im Rahmen der Kapitalverwertung sind Ressourcen und Rohstoffe nur als Träger von Wert - also von abstrakter menschlicher Arbeit - von Belang. Je höher die Produktivität ist, desto weniger abstrakte Arbeit ist in einem gegebenen Quantum Ware verdinglicht.
Wenn etwa ein Fahrzeughersteller die Produktivität um zehn Prozent bei der Einführung eines neuen Fahrzeugmodells erhöht, dann muss er auch zehn Prozent mehr Autos umsetzen, um bei gleichem Produktpreis die gleiche Wertmasse zu verwerten - oder jeden zehnten Arbeiter entlassen. Um den Verwertungsprozess des Kapitals aufrechtzuerhalten, müssen daher bei steigender Produktivität entsprechend mehr Waren produziert und abgesetzt werden. Deswegen gilt: Je größer die Produktivität der globalen Industriemaschinerie, desto stärker auch ihr Ressourcenhunger, da die Wertmasse pro produzierter Einheit tendenziell abnimmt. Ein Versuch, in der kapitalistischen Weltwirtschaft eine ressourcenschonende Produktionsweise einzuführen, ist somit unmöglich - er käme nämlich einer Kapitalvernichtung gleich.
Fazit: Die Produktivitätssteigerung, die eigentlich zur Realisierung einer ressourcenschonenden Wirtschaftsweise unabdingbar ist, wirkt im Kapitalismus wie ein Brandbeschleuniger, da hier eine blinde, funktionalistische Rationalität dem irrationalen und an seinen eskalierenden Widersprüchen zugrunde gehenden Selbstzweck uferloser Kapitalverwertung dienen muss.
Tomasz Konicz publizierte zu diesem Thema 2020 im Mandelbaum-Verlag das Buch »Klimakiller Kapital. Wie ein Wirtschaftssystem unsere Lebensgrundlagen zerstört«, 360 S., Taschenbuch, 20 €.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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