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Argumentieren statt verbieten
Andreas Fritsche befürwortet ein weitgehendes Versammlungsrecht
Der eine oder andere mag es falsch finden, gerade jetzt das Berliner Versammlungsgesetz zu liberalisieren. Aber es ist prinzipiell richtig, und es wäre verkehrt, damit zu warten. Denn was bringt es und wozu führt es, wenn andere Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen in der Coronakrise das Demonstrationsrecht verschärfen? Es bestärkt doch nur jene »Querdenker«, die fest davon überzeugt sind, die Pandemie sei nur vorgeschoben, um die Freiheitsrechte auszuhöhlen. Hilft die Verschärfung des Demonstrationsrechts überhaupt bei der Bekämpfung der Pandemie? Ich glaube nicht.
Ein Beispiel: Ich konnte am Freitag eine Kundgebung von rund 150 »Querdenkern« am Brandenburger Tor beobachten. Die Mehrzahl der Teilnehmer beachtete unter den Augen der Polizei die Auflagen, trug Maske und hielt Abstand. Einige taten das freilich nicht und begrüßten sich mit Küsschen. Doch diese Menschen werden auch abseits von Kundgebungen die Regeln missachten. Denn sie halten das Coronavirus für ungefährlich oder zumindest weit weniger gefährlich, als es tatsächlich ist. Dazu kommt: Es verletzten deutlich mehr Berliner aus gedankenloser Fahrlässigkeit die Abstandsregeln als aus Verbohrtheit.
Der Staat kann unmöglich immer und überall die Kontaktbeschränkungen durchsetzen. Davon abgesehen möchte ich nicht in einem Land leben, in dem der Staat die Ressourcen dazu hätte und seine Bürger tatsächlich allumfassend überwacht. Der Einsatz von Wasserwerfern ist grundsätzlich abzulehnen und hat im vergangenen Jahr die Meinung der »Querdenker« selbstverständlich nicht geändert. Genauso wenig würde etwa ein Verbot des »Querdenker«-Blatts »Demokratischer Widerstand« fruchten. Mitherausgeber Anselm Lenz verriet am Freitag den »Geheimplan C«, die Wochenzeitung dann im Ausland zu drucken und über die Grenze zu bringen.
Bis zu einem gewissen Grad sollten wir aberwitzige Ansichten aushalten. Zensur und die Einschränkung des Demonstrationsrechts würden sich am Ende auch gegen jene richten, die jetzt unter Wahrung der Vorsichtsmaßnahmen berechtigte Anliegen vortragen. Das kann die linke Szene nicht wollen. Es ist der richtige Weg, die Versammlungsfreiheit zu stärken. Gegen schlechte Ideen müssen - soweit das geht - die besseren Argumente helfen.
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