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Angst vor dem Renditejäger
Neuköllner Mieter fürchten Verdrängung, wenn der Bezirk keinen Vorkauf ausübt
Knapp einen Monat hat der Bezirk Neukölln noch Zeit, bis die Frist zur Prüfung des Vorkaufsrechts für die Hermannstraße 48 ausläuft. Ein Investor hat das im Milieuschutzgebiet liegende Haus kurz vor Weihnachten gekauft. Die Mieter hoffen auf die vorerst letzte Chance, den Wohn- und Gewerbekomplex in gemeinwohlorientierte Vermietung zu überführen. Der erste Versuch scheiterte 2020 am Unwillen der Voreignerin.
Am 4. Januar haben sie vom Verkauf erfahren, erzählt Martin Peters. Seitdem befürchten die Bewohner, dass sich bei ihnen fortsetzt, was bereits andernorts zu beobachten ist. »Der Käufer will sein investiertes Geld auch wieder einnehmen, beispielsweise durch höhere Mieten«, sagt er. Zwar schränke der Mietendeckel das ein, Peters hat aber vor allem Angst um die Wohngemeinschaften in den einstigen Gewerberäumen im Hinterhaus. »Das ist eine rechtliche Grauzone und für den Investor attraktiv, dort statt Wohnungen wieder Gewerbe einziehen zu lassen.«
Insgesamt 140 Mieter und Gewerbetreibende leben oder arbeiten in den drei Gebäudeteilen des Hauses. Bekannt ist es bei linken Gruppen durch die Treffen, Lesekreise und Kinoabende im Projektraum »H48«. »Was den Kiez lebendig hält, sind Begegnungsorte wie unser Projektraum oder wie es das ›Syndikat‹ gewesen ist«, sagt Peters. Die Hausgemeinschaft geht an die Öffentlichkeit, damit dem »H48« nicht das gleiche Schicksal wie der geräumten Neuköllner Kneipe droht. Sie hat demonstriert und eine Internetseite eingerichtet, auf der kurze Geschichten über einzelne Bewohner zu lesen sind. Alle eint dabei der Wunsch, hier wohnen bleiben zu können.
Am liebsten hätte sich die Hausgemeinschaft selbst darum gekümmert. Ihnen sei klar gewesen, dass die bisherige Eigentümerin, eine ältere Frau, das Haus früher oder später abgeben werde, so Peters. Die Mieter gründeten deshalb einen Verein, führten Gespräche mit Banken und dem Mietshäusersyndikat. Anfang 2020 legten sie ein Kaufangebot vor, das die Eigentümerin aber, ohne sich auf Nachverhandlungen einzulassen, ablehnte. Das Haus ging an einen Investor.
Weil das Haus im Milieuschutzgebiet liegt, hat der Bezirk die Möglichkeit, einen Vorkauf zugunsten eines Dritten auszuüben. Vorausgesetzt, der eigentliche Käufer will sich nicht mit einer Abwendungserklärung zur Einhaltung der Milieuschutzkriterien verpflichten lassen. Aus dem Bezirksamt heißt es lediglich, es werde an einer Lösung gearbeitet.
Peters befürchtet, dass jemand »große Pläne« mit ihrem Zuhause haben könnte. Auf der Internetseite eines Berliner Architektenbüros haben die Mieter Entwürfe für einen Neubau im Innenhof des Nachbargrundstücks gefunden, der den Bauzeichnungen zufolge mit dem Hinterhaus der Hermannstraße 48 abschließt. Der Auftraggeber des Projekts mit ausgewiesenem Baustart 2021 vermietet und verkauft sonst vor allem luxuriöse Wohnungen. Zwar wissen auch die Mieter nicht, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Verkauf ihres Hauses und dem Neubauprojekt gibt. Stutzig macht sie aber, dass im vergangenen Jahr ihre Hausverwaltung gewechselt habe und nun die gleiche sei, die auch das Nachbarhaus Hermannstraße 49 verwaltet – jene Adresse, die auch für den Neubau angegeben ist. Ob es sich bei all dem nur um einen Zufall handelt, konnte »nd« nicht klären. Die Hausverwaltung will sich nicht äußern und Anfragen an den Geschäftsführer des Immobilienunternehmen blieben unbeantwortet.
Nicht zu wissen, wer ihr Haus gekauft hat – damit stehen die Mieter der Hermannstraße 48 zurzeit nicht allein. Auch die Bewohner der Anzengruberstraße 24 treibt die Frage um. Beide gehören zu den neun Häusern, für die Neukölln im Januar das Vorkaufsrecht prüft. Für Martin Peters ist, ganz egal wer letztendlich ihr Haus gekauft hat, eines klar. »Wir werden uns nicht kleinmachen lassen und dem Käufer kommunizieren: Wir sind keine Ware, pass auf, auf was du dich einlässt!«
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