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Rechte im Blick
Einem Bericht zufolge hat der Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt den gesamten AfD-Landesverband unter Beobachtung gestellt
Die AfD in Sachsen-Anhalt steht unter Stress. Eben noch wirkten die Rechtsradikalen recht vergnügt, als sie am Samstag und Sonntag ihre Kandidatenliste für die Landtagswahl am 6. Juni komplettierten und dabei die Corona-Regeln nicht immer beachteten, wie Bilder in den sozialen Netzwerken dokumentieren. Doch nun ist plötzlich Eile geboten: Wie die Deutsche Presse-Agentur berichtet, kam der Landesvorstand am Dienstagabend zu einer Sondersitzung zusammen. Aus AfD-Sicht erscheinen zügige Beratungen notwendig, denn die Partei wird nun offenkundig von den Sicherheitsbehörden in die Zange genommen.
Am Dienstag meldete die im Raum Halle erscheinende »Mitteldeutsche Zeitung«, dass der Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt den gesamten AfD-Landesverband unter Beobachtung gestellt habe. Demnach könne die Behörde ab sofort alle 1336 AfD-Mitglieder - so viele waren es Ende letzten Jahres, ein Plus von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr - mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwachen. Zu diesen Mitteln gehören beispielsweise der Einsatz von Vertrauensleuten (V-Leuten), Observationen sowie Bild- und Tonaufzeichnungen.
Wie die Zeitung berichtet, sehe der Verfassungsschutz nach jahrelanger Materialsammlung genug Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der AfD um einen rechtsextremen Verdachtsfall handelt. Der neue Status gelte bereits seit dem 12. Januar. Darüber habe der Verfassungsschutz die Abgeordneten des Parlamentarischen Kontrollgremiums am Montag in geheimer Sitzung informiert. Nach »MZ«-Informationen bescheinigt der Geheimdienst der Landes-AfD unter anderem Angriffe auf die Menschenwürde, die Ablehnung rechtsstaatlicher Prinzipien und Demokratiefeindlichkeit.
Innenminister Michael Richter (CDU) und der Verfassungsschutz haben sich bislang nicht zu dem Bericht geäußert. Die AfD erwägt, rechtsstaatliche Mittel einzusetzen und gegen die Einstufung zu klagen. »Ich gehe davon aus, dass wir - wie bei ähnlichen Fällen im Bund und anderen Ländern - den Rechtsweg einschlagen werden«, sagte Landeschef Martin Reichardt der dpa. Unterdessen stellen Rechtsextremismus-Experten die geheimdienstliche Offensive infrage. Die AfD in Sachsen-Anhalt sei schon immer »ganz rechtsaußen«, schrieb David Begrich vom Verein Miteinander e. V. im Kurznachrichtendienst Twitter. Er bezweifelt, dass der Verfassungsschutz mehr als die ohnehin bekannten Informationen über die Rechtsradikalen liefern könne.
Auch die Linkspartei zieht die Wirksamkeit nachrichtendienstlicher Mittel in Zweifel. »Eine Beobachtung ist mitnichten ein politisches Konzept, um Rechtsextremismus wirksam zu bekämpfen«, sagte Landeschef Stefan Gebhardt. »Die rechtsextreme Haltung der AfD in Sachsen-Anhalt ist offensichtlich und umfangreich dokumentiert. Dies ist in erster Linie zivilgesellschaftlichem Engagement zu verdanken.« Die sogenannte Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt aus CDU, SPD und Grünen habe sich bisher einer gründlichen Auseinandersetzung entzogen und damit die AfD frei agieren lassen, so Gebhardt weiter. »Einer Beobachtung müssen nun umgehend Konzepte zur Bekämpfung und Prävention folgen.«
Derweil zeigen sich auch die Grünen skeptisch. »Rassismus steht im Kern der Ideologie der AfD. Um all dies festzustellen, braucht es keine Entscheidung einer Behörde, es reicht wacher Verstand und etwas antifaschistische Umsicht«, sagte der Grünen-Innenexperte Sebastian Striegel. Ein Geheimdienst werde einer demokratischen Gesellschaft die Auseinandersetzung mit der AfD nicht abnehmen, so Striegel. »Wir setzen auf eine wache Zivilgesellschaft. Und auf Sicherheitsbehörden, die die Gefahren von Rechtsextremismus, völkischem Rassismus, Antisemitismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ernst nehmen.«
Die AfD war bei der letzten Landtagswahl im Jahr 2016 mit 23,4 Prozent zweitstärkste Kraft in Sachsen-Anhalt geworden. Zuletzt hatte sie gemeinsam mit der CDU faktisch die Erhöhung des Rundfunkbeitrages verhindert. Möglich ist, dass die Beobachtung durch den Verfassungsschutz mit der Wahl des Landtagsabgeordneten Hans-Thomas Tillschneider zum Vize-Landeschef zusammenhängt. Tillschneider gilt neben Björn Höcke und Andreas Kalbitz als zentrale Figur des offiziell aufgelösten »Flügels«, der vom Verfassungsschutz im vergangenen Jahr als »erwiesen extremistische Bestrebung« eingestuft wurde. Zudem offenbart Tillschneider enge Beziehungen zur Identitären Bewegung und unterhielt in deren ehemaligem Haus in Halle ein Abgeordnetenbüro.
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