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»Transfeindlichkeit im Feminismus ist nicht neu«
Roman Klarfeld über die Ablehnung von trans* Personen, sogenannte TERFs und ihre Nähe zu rechter »Genderwahn«-Rhetorik
In den vergangenen Monaten wurden immer wieder transfeindliche Äußerungen bekannter Feminist*innen und feministischer Organisationen öffentlich. Ist Transfeindlichkeit im Feminismus verbreitet?
Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Transfeindlichkeit ist natürlich auch in feministischen Szenen vorhanden, aber nicht mehr oder weniger als unter Menschen, die nicht feministisch eingestellt oder aktiv sind. Es ist eben nicht so, dass eine feministische Einstellung automatisch Trans-Awareness, also ein Bewusstsein beim Thema Transgender, mit sich bringt. Im Kontext feministischer Bewegungen ist Transfeindlichkeit aber auch nicht neu. Das Thema kocht immer mal wieder an Aussagen Einzelner oder in gewissen Kontexten hoch, aber im Grunde wird das bereits seit den 1970er Jahren problematisiert.
Allerdings nehmen die Wahrnehmung und die Bereitschaft, sich damit auseinander zu setzen, zu. In vielen feministischen Einrichtungen gab und gibt es Überlegungen, die eigenen Räume für alle Frauen zugänglicher zu machen. Wenn wir uns Berlin ansehen, ist da viel passiert. Zum Beispiel sind die Lesbenberatung, das Frieda Frauenzentrum, das Lesbenarchiv Spinnboden, um nur einige wenige Beispiele zu nennen, für trans* Frauen zugänglich.
Wie äußern sich transfeindliche Handlungen?
Im feministischen Kontext zeigt sich Transfeindlichkeit sehr oft über Ausschluss: Wenn trans* Frauen in Räumen, die für Frauen gedacht sind, nicht willkommen sind. Oft wird trans* Personen aber auch ihre Geschlechtsidentität abgesprochen, sie werden dann einfach weiterhin mit ihrem alten, bei der Geburt zugeordneten Geschlecht angesprochen. Das kann bis zu Anfeindungen und Hasskommentaren in sozialen Medien führen.
Wenn es um geschlechtliche Selbstbestimmung geht und einen leichteren Zugang zu rechtlicher Anerkennung etwa durch Personenstands- oder Vornamensänderung, werden häufig auch angebliche Gefahren ausgemacht: Es heißt dann, da kommen irgendwelche cis-Männer auf das Amt und lassen sich einen weiblichen Personenstand ausstellen, um anschließend in Umkleideräumen Frauen zu belästigen. Das ist natürlich Unsinn. Ich glaube nicht, dass ein Mann, der übergriffig gegenüber Frauen sein will, dafür eine Personenstandsänderung vollziehen würde. In dieser Überlegung wird wiederum Gewalterfahrung, die trans* Personen und vor allem trans* Frauen machen, negiert. Auch dies ist eine Form von Transfeindlichkeit.
Gibt es bei Trans-Awareness Unterschiede zwischen Generationen von Feminist*innen?
Das wird oft angenommen. Dann heißt es, dass seien 70er Jahre-Feminist*innen, die sich transfeindlich äußern. Trans-Awareness lässt sich meiner Meinung nach aber nicht am Alter oder einer Feminismus-Generation festmachen. Ich habe super Erfahrungen auch mit älteren Feminist*innen gemacht. Und es gibt durchaus viele Jüngere, die explizit transfeindlich sind.
Die wohl extremste Form von Transfeindlichkeit äußern sogenannte TERFs.
Das steht für Trans Exclusionary Radical Feminism, also Trans-ausschließender radikaler Feminismus und ist in der Regel keine Selbstbezeichnung. Damit werden Feminist*innen bezeichnet, die trans* Personen kategorisch ausschließen und ihnen die Selbstbestimmung über ihr Geschlecht absprechen. Diese Frauen oder Gruppen tragen oft offen ihre Meinung nach außen, auch mit Kampagnen.
Ihr Hass richtet sich viel an trans* Frauen, weniger an trans* Männer. Wieso?
Es sind in erster Linie trans* Frauen von transfeindlichen Ausschlüssen betroffen, weil die für sie relevanten Räume zu Schutzräumen für cis-Frauen erklärt werden. Das gibt es schon relativ lang. 1979 hat zum Beispiel Janice Raymond in ihrem Buch »Transsexual Empire« über die angebliche Gefahr geschrieben, die von trans* Frauen ausgehe, weil diese in ihrer Behauptung eigentlich Männer seien. Es heißt dann, Menschen, die männlich sozialisiert wurden, könnten niemals Frauen seien, weil man Sozialisation nicht ablegen könne. Allerdings wird bei dieser Argumentation davon ausgegangen, dass alle cis-Frauen dieselben Erfahrungen in ihrer Sozialisation gemacht hätten - ein Trugschluss. Auch Klassismus, Rassismus, Antisemitismus und andere Diskriminierungsformen haben Auswirkungen auf unsere Sozialisation.
Die Argumentation negiert zudem all die Erfahrungen, die trans* Personen in ihrer Kindheit und Jugend machen. Wir leben in einer patriarchalen Gesellschaft, wo es die Norm ist, Menschen in zwei Geschlechter einzuteilen. Kinder oder Jugendliche, die bemerken, dass sie dieser Norm nicht entsprechen, weil für sie das ihnen bei der Geburt zugewiesene Geschlecht nicht stimmt oder sie sich nicht binär verorten, sind oft Diskriminierung ausgesetzt.
Es ist auch nicht per se der Mann, der gefährlich ist, sondern toxische Männlichkeit.
Definitiv. Es wird ausgeblendet, dass das größte Problem patriarchale Strukturen sind – unter denen gerade trans* Frauen auch enorm leiden. Es wäre wesentlich besser und effektiver, wenn man gemeinsam dagegen ankämpfen würde, anstatt für Ausschlüsse zu sorgen.
Manche Argumente transfeindlicher Feminist*innen erinnern an die Rhetorik rechter Gruppen. Inwiefern?
Tatsächlich sieht man immer wieder, dass Argumentationen wie zum Beispiel bei der AfD genutzt werden. Da ist dann von »Gendergaga« die Rede und einer Frühsexualisierung von Kindern. TERFs verwenden oft zwar andere Begriffe, aber die Argumentationsmuster bleiben gleich: Eine etwas neuere Form von Transfeindlichkeit ist zum Beispiel, gegen die Selbstbestimmung von trans* Personen zu kämpfen und damit einen leichteren Zugang zu Personenstands- und Vornamensänderung verhindern zu wollen. Hier wird oft damit argumentiert, Kinder und Jugendliche vor der angeblichen Trans-Lobby schützen zu wollen. Da wird versucht, Organisationen, die die Interessen von Minderheiten vertreten und für eine Verbesserung der rechtlichen, sozialen und gesundheitlichen Situation kämpfen, eine übermächtige Rolle anzudichten – das erinnert auch sehr stark an antisemitische Verschwörungstheorien.
Können Personen, die offen transfeindlich sind, wirklich Feminist*innen sein?
Das entspricht in der Tat nicht meinem Verständnis von Feminismus, der in jedem Fall nicht auf Mechanismen von Ausschluss fußt. Ich will diesen Leuten aber auch nicht absprechen, gewisse feministische Positionen zu vertreten. Da muss man einsehen, dass es verschiedene feministische Strömungen gibt - und zwar auch solche, die meinem Verständnis von »feministisch« gar nicht entsprechen.
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