»Sie haben fürchterliche Dinge zugedeckt«
Bistum Hildesheim untersucht Vorwürfe sexuellen Missbrauchs gegen verstorbenen Pfarrer
Noch immer scheint nicht einwandfrei geklärt zu sein, inwieweit dem 1988 verstorbenen Bischof Heinrich Maria Janssen, der von 1957 bis 1982 das fast ganz Niedersachsen umfassende katholische Bistum Hildesheim leitete, Taten sexuellen Missbrauchs vorgeworfen werden können.
Akzeptiert hatte die Kirchenleitung 2015 den Vorwurf eines ehemaligen Messdieners, der Oberhirte habe sich an ihm im Kindesalter vergangen. Der Klerus bewertete die Aussagen als glaubwürdig, zahlte 10 000 Euro »Anerkennungsgeld« für erlittenes Leid an den Mann, der zudem die Entfernung seines Peinigers aus der Bischofsgruft im Dom forderte. Doch Janssen ruht dort nach wie vor. Nun muss sich die Bistumsleitung in punkto sexuellem Missbrauch mit einem ihrer Geistlichen befassen, der ebenfalls schon verstorben ist.
Zu Lebzeiten des Priesters Georg M., der im Jahr 2019 zu Grabe getragen wurde, waren vermutlich keine Verdachtsmomente zu Sexualstraftaten laut geworden. Erst in jüngster Zeit dürfte es Hinweise auf sexualisierte Gewalt gegen einen Jungen gegeben haben, die das Bistum veranlassten, mit dem Fall an die Öffentlichkeit zu gehen und anzukündigen: Fachleute werden Nachforschungen in den Gemeinden betreiben, in denen der Geistliche tätig war. Die »gesamte Priesterlaufbahn« des Mannes solle untersucht werden.
Ein arbeitsintensives Unterfangen, war Georg M. doch mehr als 40 Jahre im Amt, unter anderem in Salzgitter, Ronnenberg bei Hannover, Uelzen und Cuxhaven. Als Ruhestandsgeistlicher wirkte er ab 2009 in Wolfenbüttel in der Pfarrgemeinde St. Petrus. Deren Leitung hatte im Internet die »lieben Pfarreimitglieder« darüber informiert, »dass es konkrete Hinweise dafür gibt, dass Georg M. pädosexuell veranlagt war, das heißt, dass er ein sexuelles Interesse an Kindern hatte«. Dieses ergebe sich aus Zeugenaussagen, die durch Hinweise in Akten bestätigt würden. Insbesondere gebe es die Aussage »über einen konkreten Vorfall von sexualisierter Gewalt«. Danach soll sich der Ruhestandsgeistliche »bei einem ›Hoppe-Reiter-Spiel‹ selbst befriedigt haben«. Darüber hinaus wisse die Pfarreileitung mittlerweile »von mindestens einer Anzeige, die gegen ihn vorlag, die aber wegen Verjährung nicht verfolgt wurde«.
Georg M. war im Jahr 1969 zum Priester geweiht worden, seine Dienstzeit fiel demnach sowohl in die Amtsjahre des umstrittenen Bischofs Janssen als auch in die des Janssen-Nachfolgers Josef Homeyer, der von 1983 bis 2004 in Hildesheim residierte. Diesem Mitraträger und seiner Bistumsleitung hatte der derzeit amtierende Bischof Heiner Wilmer im Oktober 2018 in einem Rundfunkbeitrag attestiert, sie »haben nicht nur versagt, sondern sie haben fürchterliche Dinge zugedeckt«.
Inwieweit auch Georg M. »fürchterliche Dinge« posthum anzulasten sind, wird nun untersucht. »Die Rechercheergebnisse werden durch das Bistum Hildesheim veröffentlicht«, verspricht die Kirchenleitung.
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