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- Coronakrise
Polizisten sind höherem Risiko ausgesetzt
Teil 9 unserer Serie über Menschen in Berufen, die die Coronakrise besonders trifft
Die Ausbreitung des Coronavirus hat die Berliner Polizei schwer getroffen. Gleich zu Beginn der Pandemie gab es einige Infektionsfälle, zahlreiche Polizisten mussten sich in Quarantäne begeben. Der Personalrat Jörn Badendick vom Verein »Unabhängige in der Polizei« erinnert sich: »Der Ausbruch der Pandemie traf die Polizeiführung recht unvorbereitet. Für die Kolleginnen und Kollegen stand keine Schutzausrüstung zur Verfügung«, sagt er. Dabei sind die Beamten in ihren Einsätzen aus seiner Sicht einem größeren Infektionsrisiko ausgesetzt, weil es zu vielen unmittelbaren Kontakten mit den Bürgerinnen und Bürgern kommt. »Das beginnt beim einfachen Streifenbeamten im Funkwageneinsatzdienst oder in den geschlossenen Einheiten über eine Kriminalbeamtin, die zum Beispiel eine Wohnungsdurchsuchung durchführt, bis hin zum Sportlehrer an der Polizeiakademie«, sagt Badendick. Aus Sicht des Personalrats hatte es das Virus bei der Polizei auch vergleichsweise deshalb leicht, weil im Zuge von Sparmaßnahmen in den vergangenen Jahren ganze Abschnitte bei der Polizei aufgelöst worden waren, was dazu führte, dass sich die Polizisten in weniger Liegenschaften dichter drängen.
Die Coronakrise hat darüber hinaus auch die Tätigkeiten der Polizisten stark verändert. Während Taschendiebstähle keine Rolle mehr spielen, ist die Anzahl der Fahrraddiebstähle »explodiert«. Zudem müssen die Beamten unter anderem auch die Infektionsschutzverordnungen kontrollieren. Bei der »Flut« von Änderungen, die häufig aktualisiert worden seien, sei es teilweise schwierig gewesen, den Überblick zu behalten, so Badendick. Im polizeilichen Intranet gebe es aber eine tagesaktuelle Übersicht über die geltenden Vorschriften. Die zur Bekämpfung der Pandemie gefassten Grundrechtseinschränkungen haben das Leben der Polizisten nicht einfacher gemacht. »Das ist insbesondere für eine bürgerorientierte und rechtsstaatlich agierende Polizei schwierig«, erläutert Badendick.
Jörn Badendick ist Personalrat bei der Berliner Polizei. Er ist Mitglied im Verein »Unabhängige in der Polizei«. Der Berufsverband ist überparteilich und versteht sich als »reine Personalvertretung« und nicht als Gewerkschaft.
Auf Demonstrationen trifft das aufgeheizte gesellschaftliche Klima die dort eingesetzten Polizisten, hat der Personalrat mitbekommen. »Eine Querfront politischer Strömungen, wie wir sie zuletzt auf vielen Demonstrationen beobachten konnten, hätte man zu Beginn der Pandemie noch für unmöglich gehalten«, sagt Badendick, der kritisiert, dass etliche »Verschwörungstheoretiker« versuchen würden, die Ängste der Bevölkerung zu vermarkten. Viele Polizisten haben dem Personalrat nach eigenem Bekunden berichtet, dass sie von Versammlungsteilmehrerinnen und Versammlungsteilnehmern, die keinen Mund-Nase-Schutz trugen, angehustet und angespuckt worden seien.
Polizisten gelten zwar als systemrelevant, aber dennoch hilft etwa die Notbetreuung von ihren Kindern nur bedingt. »Der Polizeiberuf ist trennungsanfällig, alleinerziehende Mütter und Väter sind im Polizeialltag keine Seltenheit«, sagt Badendick. Aufgrund des erhöhten Infektionsrisikos für systemrelevante Berufe bestünde die Gefahr, dass die zusammengeführte Kinderbetreuung »selbst zu einem neuralgischen Infektionsherd« werde, so Badendick. Immerhin konnten die Beschäftigtenvertretungen inzwischen eine Flexibilisierung der Arbeitszeit durchsetzen, die es ermöglichte, die Kinderbetreuung selber zu übernehmen. Nachholbedarf sieht der Beschäftigtenvertreter bei den mobilen Arbeitsplätzen sowie Heimarbeitsplätzen. Beispielsweise seien noch zu wenig »Geräte«, also Computer, dafür vorhanden. Es gibt aber laut Badendick auch Verbesserungen: Positiv sehe er die Ausweitung des Sonderurlaubs zur Kinderbetreuung, die durch die Senatsverwaltung für Finanzen für alle Mitarbeiter der Berliner Verwaltung geschaffen wurden.
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