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Mehrwertsteuersenkung zahlte sich für Reiche aus
Der Corona-Kinderbonus war laut Ökonomen die gerechtere und effektivere Konjunkturmaßnahme als der Steuerrabatt an der Kasse
Es war einer der großen Auftritte von Olaf Scholz im vergangenen Jahr: »Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen«, sagte der Bundesfinanzminister und mittlerweile SPD-Kanzlerkandidat Anfang Juni vor laufenden Kameras. Zuvor hatte sich die Bundesregierung auf ein 130 Milliarden Euro schweres Konjunkturprogramm geeinigt. Sie stellte die temporäre Mehrwertsteuersenkung von 19 beziehungsweise sieben auf 16 beziehungsweise fünf Prozent in dessen Zentrum. 20 Milliarden Euro veranschlagte Schwarz-Rot dafür. Daran gemessen war der damals ebenfalls beschlossene Kinderbonus von 300 Euro pro Kind mit einem Gesamtvolumen von 4,3 Milliarden Euro eher nebensächlich.
Seit Anfang Januar wird an der Kasse wieder die alte Mehrwertsteuer berechnet. Und es scheint, dass die Absenkung weit weniger effektiv als der im September und Oktober ausgezahlte Kinderbonus war. Dies legt eine Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) nahe, die an diesem Mittwoch veröffentlicht wird. »Unsere Analyse liefert nun starke Indizien dafür, dass der Kinderbonus im Verhältnis zum eingesetzten Steuergeld weitaus mehr ›Wumms‹ gebracht hat als die zeitweilige Senkung der Mehrwertsteuer«, sagt IMK-Direktor Sebastian Dullien. »Denn von den für den Bonus ausgezahlten Mitteln dürften knapp zwei Drittel für zusätzlichen Konsum genutzt werden, gut die Hälfte war sogar schon kurz nach der Auszahlung ausgegeben.«
Für seine Studie ließ das IMK im November mehr als 6100 Erwerbstätige und Arbeitsuchende befragen, um herauszufinden, ob Mehrwertsteuersenkung und Kinderbonus ihre angedachte Wirkung bei den Menschen entfalteten oder verfehlten. Denn beide Maßnahmen sollten die Menschen dazu anregen, Geld auszugeben und so die Konjunktur mit ihrem Konsum am Laufen halten.
Doch im Falle der Mehrwertsteuer kamen bald Zweifel auf, ob die Unternehmen die Senkung tatsächlich an die Konsumenten weitergeben würden. Laut IMK erwarteten in einer ersten Befragung im Juni 35 Prozent, dass die Maßnahme gar nicht an die Verbraucher weitergegeben würde. Im November waren nur noch 13 Prozent dieser Meinung. Gleichzeitig sagten in der zweiten Umfrage knapp 30 Prozent, dass der finanzielle Vorteil durch die niedrigere Steuer zumindest »ganz überwiegend« an die Endverbraucher weitergereicht worden sei.
Trotz dieses Meinungswandels war der Effekt der Mehrwertsteuersenkung auf das Konsumverhalten der Menschen gering. Vor allem zeigt die IMK-Studie, dass vor allem einkommensstarke Haushalte von der Senkung profitierten. Dabei behauptete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Juni, dass die Maßnahme »sozial sehr gerecht ausgestaltet« sei, »weil die Mehrwertsteuer von allen bezahlt wird«. Doch nur wer Geld hat und es ausgibt, zahlt die Steuer und profitiert auch von deren Reduzierung, insofern sie von den Geschäften an einen weitergegeben wird.
Folglich gaben bei der Befragung mehr Menschen mit hohen als mit niedrigen Einkommen an, dass sie aufgrund der Senkung größere Anschaffungen vorzogen. Bei Haushalten mit einem monatlichen Einkommen von mindestens 4500 Euro netto war dies mit 19,5 Prozent fast jeder Fünfter. Bei Haushalten mit Einkommen unter 1500 Euro netto waren dies lediglich 11,3 Prozent.
Der geringe Effekt der Senkung wird auch von anderen Wirtschaftsinstituten moniert. So hat das Münchner Ifo-Institut berechnet, dass die 20 Milliarden Euro teure Maßnahme zu Extra-Konsum in Höhe von lediglich 6,3 Milliarden Euro führte.
Anders verhält es sich mit dem Kinderbonus. In der IMK-Befragung gaben 37 Prozent an, den Bonus schon nach wenigen Wochen komplett ausgegeben zu haben. Bei weiteren 27 Prozent war die Einmalzahlung zumindest teilweise in den Konsum geflossen. Im Durchschnitt aller Haushalte mit Kinderbonus waren im November bereits 51 Prozent der ausgezahlten Mittel von den Haushalten wieder ausgegeben worden. Damit falle die Konsumwirkung des Kinderbonus je Euro rund doppelt so hoch aus wie bei der Mehrwertsteuersenkung, betonen die IMK-Ökonomen.
Hinzu kommt, dass der Bonus mit dem steuerlichen Kinderfreibetrag verrechnet wird. Das heißt, dass besonders Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen von ihm profitieren. »Der Kinderbonus war somit auch aus verteilungspolitischer Sicht ein geeignetes Instrument, um den privaten Konsum und die konjunkturelle Entwicklung gezielt zu unterstützen«, so die IMK-Forscher*innen. So hätten vor allem einkommensschwache Haushalte das zusätzliche Geld schnell ausgegeben. Das Institut rät deswegen sowohl aus »Effizienz- als auch aus Verteilungsgründen« dazu, »einen größeren Anteil der eingesetzten Mittel für Direktzahlungen zu verwenden und auf vorübergehende Mehrwertsteuersenkungen zu verzichten«.
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