Selenskyj greift Putins Freund an
Ukraine verbietet drei prorussische Fernsehsender rund um Wiktor Medwedtschuk
»Es werden außergerichtlich Fernsehsender mit einem großen Publikum gesperrt. Die Medien sollten nur im Rahmen einer gesetzlichen Prozedur zur Verantwortung gezogen werden und ein Recht auf Verteidigung haben«, kritisierte Serhij Tomilenko, Chef des ukrainischen Journalistenverbandes, die plötzliche Ausschaltung von drei russlandfreundlichen Nachrichtensendern Kanal 112, NewsOne und ZIK am späten Dienstagabend. Als formelle Grundlage dafür diente die Verhängung der Sanktionen gegen den formellen Eigentümer der Sender, den Parlamentsabgeordneten Taras Kosak von der Partei Oppositionsplattform um den engen Freund des russischen Präsidenten Waldimir Putin, Wiktor Medwedtschuk. Kosak gilt als Mittelsmann von Medwedtschuk.
17 von 19 Mitgliedern des Sicherheitsrates hätten zuvor schriftlich für den Entschluss gestimmt, bevor Präsident Wolodymyr Selenskyj diesen gleich per Dekret in Kraft setzte. Wenig später wurden die Sender tatsächlich abgeschaltet. Doch die tatsächliche Grundlage der Entscheidung bleibt unklar. »Die Meinungsfreiheit endet dort, wo es Eingriffe in die Souveränität der Ukraine gibt«, sagte etwa der Chef des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU, Iwan Bakanow. Mehrere Medien berichteten am Mittwoch dennoch, dass nach Informationen des SBU die Sender teilweise von Unternehmen aus der von den prorussischen Separatisten kontrollierten, selbst ernannten Volksrepublik Luhansk finanziert wurden, was von der Gesetzgebung streng verboten ist. Konkret soll es dabei um Einnahmen aus dem Kohlehandel gehen.
»Das sind alles Annahmen, die möglicherweise nicht ganz der Realität entsprechen«, meinte der Sekretär des Sicherheitsrates, Olexij Danylow. Er verwies ebenfalls darauf, dass einige Dokumente unter das Staatsgeheimnis fallen. Doch sollte der SBU tatsächlich handfeste Beweise gegen Kosak und die Sender haben, bewegen sich Selenskyj und sein Sicherheitsapparat immer noch rechtlich auf dünnem Eis. Allein die Blockierung von Sendern ohne Gerichtsentscheide ist fragwürdig. Zudem ist unklar, ob nach ukrainischen Gesetzen Sanktionen gegen ukrainische Staatsbürger überhaupt verhängt werden dürfen.
Kanal 112, NewsOne und ZIK genießen in der Ukraine einen zweifelhaften Ruf. Die Sender wurden allesamt zwischen 2018 und 2019 von Kosak gekauft und dienten seitdem offen als Sprachrohre der russlandnahen Oppositionsplattform. »Es ist kein Journalismus, sondern reine Propaganda, und zwar sogar im Interesse des Okkupanten«, betont Mychajlo Podoljak, Medienberater des Präsidenten Selenskyj. Die Sender haben aufgepasst, um im Rahmen des Gesetzes zu bleiben. »Dennoch war die ständige Position, dass die Ukraine an allem schuld sei, man nun wieder die Freundschaft mit Russland angehen sollte und auf dem Maidan ein bewaffneter Putsch stattfand«, relativiert Medienexperte Otar Dowschenko.
Die Sender haben zuletzt Selenskyj hart kritisiert, obwohl man mit ihm am Anfang seiner Amtszeit noch verhalten umging. Dies dürfte zu den Gründen gehören, warum Selenskyj überraschend diesen Entschluss traf. Als reine Nachrichtensender wurden sie gerne im Osten des Landes angeschaut, wo Selenskyjs Partei Diener des Volkes, die bei der Parlamentswahl 2019 noch die absolute Mehrheit bekam, mit der Oppositionsplattform konkurriert. Es mehren sich die Umfragen, die der Oppositionsplattform den ersten Platz geben, während auch die persönlichen Umfragewerte Selenskyjs langsam abstürzen.
Es ist umstritten, ob Selenskyj durch die Abschaltung der Sender deren Zuschauer gewinnen kann. Deren Programme wurden eher von der älteren Bevölkerung angesehen, die mehrheitlich nicht in der Lage ist, auf neue Medien umzusteigen. Das heißt, dass sie nach anderen Alternativen im TV suchen werden, die möglicherweise positiver über den Präsidenten berichten werden. Doch im Moment bekommt die Oppositionsplattform eher neue rhetorische Argumente, die sie schon gerne nutzt. »Der Faschismus bekam in unserem Land mit Grün (Parteifarbe der Diener des Volkes - Anmerkung) eine neue Farbe«, betonen bereits ranghohe Parteifunktionäre von der Parlamentsbühne.
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