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Heldinnen gesucht
Um den Fußball tiefer in der Gesellschaft zu verankern, braucht es mehr Frauen.
Heidi Möller, die Universitätsprofessorin aus Kassel, hatte sich am vergangenen Mittwoch schon optisch von Christian Seifert, dem Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga, abgesetzt. Ihr leuchtend gelber Pullover bot in der Frankfurter DFL-Zentrale mal ein anderes Bild als die Männer in dunklen Anzügen, die dort gewöhnlich zu Wort kommen. Dass eine Frau die mehrstündigen Arbeitssitzungen der »Taskforce Zukunft Profifußball« moderierte, um diesem Sport einen besseren Weg aufzuzeigen, soll ein Sinnbild gewesen sein. Bei zwei der insgesamt 17 Handlungsempfehlungen geht es auch konkret um mehr Geschlechtergerechtigkeit. Unter Punkt 14 ist die »Förderung von Frauenfußball« hinterlegt, unter Punkt 15 die »Förderung von Frauen im Fußball«.
Derzeit würden 97 Prozent der Positionen im Fußball von Männern besetzt, monierte Möller. »Das ist ein ziemliches trauriges Bild. Da ist jeder Dax-Konzern besser - und die sind auch schon ziemlich schlecht.« Diversität sei auf allen Ebenen ein Vorteil, führte die Diplompsychologin aus, die mehrere große Unternehmen berät. Offenbar war die 60-Jährige selbst erschrocken, wie rückständig der deutsche Fußball auf diesem Gebiet ist, obwohl sich allein beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) 1,12 Millionen Frauen und Mädchen sammeln. Doch auf präsidialer Ebene ist bei DFL und DFB nur eine einzige Frau vertreten: die unverwüstliche DFB-Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg, die sich noch in schlimmsten Machozeiten nach oben gekämpft hat. Immerhin fördert DFB-Präsident Fritz Keller die Frauen und deren Fußball aus tiefer Überzeugung. Verbandsdirektorin Heike Ullrich, zuständig für Vereine, Verbände und Ligen, rückte zur stellvertretenden Generalsekretärin auf - dient aber ausgerechnet Kellers Intimfeind Friedrich Curtius. Als zweite Frau gehört seit September Mediendirektorin Mirjam Berle zur Geschäftsführung.
Beim DFB sind 30 Prozent der Angestellten weiblich, bei der DFL mit etwas mehr als 100 Mitarbeitern immerhin 41 Prozent. Im vergangenen Jahr wurde Franziska Fey zur Vorsitzenden der DFL-Stiftung ernannt, aber die wichtigsten Kommissionen sind dann doch wieder reine Männerrunden. Gerade auf den höchsten Entscheidungsebenen scheint keine weibliche Stimme erwünscht. Sportvorstände oder Sportdirektoren sind grundsätzlich Männer - kein Bundesligist macht Platz für eine Frau wie der FC Chelsea, wo Marina Granovskaia für alle Transfers verantwortlich ist. Die von Besitzer Roman Abramowitsch eingesetzte Russin gilt als »mächtigste Frau« im europäischen Fußball. Und als knallharte Verhandlerin, die vergangenen Sommer die deutschen Nationalspieler Kai Havertz und Timo Werner auf die Insel lockte.
Katja Kraus, früher Torhüterin beim FSV Frankfurt, war zwischen 2003 und 2011 beim Hamburger SV gemeinsam mit Bernd Hoffmann im Vorstand. Sie sagt: »Es geht darum, tatsächlich auch mal das Bewusstsein dafür zu erlangen, dass Diversität ein Erfolgsfaktor ist.« Aber noch immer herrscht das Denken vor, dass am besten ehemalige Fußballer entscheiden sollten, welche Fußballer aktuell verpflichtet oder verkauft werden sollen. Genauso schwierig ist es, Schiedsrichterinnen oder Trainerinnen in den obersten Spielklassen unterzubringen. Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus hörte nach dem Supercup vergangenes Jahr auf und ist auf eigenen Wunsch nur noch als Videoassistentin tätig. Damit pfeift keine Frau mehr in der Bundesliga.
Martina Voss-Tecklenburg, Bundestrainerin der deutschen Fußballerinnen, die gerade ihren Vertrag bis 2023 verlängerte und auch ihren Posten als Aufsichtsratsmitglied bei Fortuna Düsseldorf weiter ausübt, glaubt nicht daran, dass eine Trainerin hierzulande so schnell in den Profispielklassen Fuß fasst. »Das liegt immer noch daran, dass es keiner gemacht hat. Es ist immer noch ein sehr innerer Zirkel von Menschen, die aus dem Männerfußball kommen und im Männerfußball bleiben«, glaubt die 53-Jährige.
Immerhin: Der Imagefaktor des Fußballs der Frauen ist erkannt worden. So hat Seifert vor einigen Wochen selbst den Testballon fliegen lassen, vielleicht die Bundesliga der Fußballerinnen in ferner Zukunft unter DFL-Obhut zu bringen. Siegfried Dietrich, Sportdirektor bei Eintracht Frankfurt und Sprecher des DFB-Ausschusses Frauen-Bundesliga, gefiel die Vision. Bei acht Bundesligisten aus DFL-Lizenzvereinen der Männer könne doch »gar nichts Besseres passieren, als dass eine enge und strategische Zusammenarbeit mit der DFL Realität würde«, teilte der geschäftstüchtige Impresario umgehend mit. »Profi-Frauenfußball unter dem Dach der DFL-Lizenzvereine wird wegen der professionellen Strukturen, der Strahlkraft der Namen, aber auch der wirtschaftlichen Voraussetzungen das Modell der Zukunft sein!« Dabei dachte der 63-Jährige, der vergangenen Sommer mit dem vom VfL Wolfsburg und dem FC Bayern München abgehängten 1. FFC Frankfurt unter das Dach der Eintracht geschlüpft war, vor allem an das »wirtschaftliche Potenzial«.
DFB-Vizepräsidentin Ratzeburg war von dem Vorstoß nur bedingt begeistert. »Die Ausgliederung eines einzelnen Wettbewerbs ist kritisch zu betrachten«, ließ die 69-Jährige wissen. Wenn überhaupt, könne man offen diskutieren, wie DFB und DFL gemeinsam den Fußball der Frauen stärken können. Das soll jetzt passieren: Die DFL will »in enger Abstimmung mit dem DFB« die gewachsenen Strukturen verbessern und einen Maßnahmenplan erarbeiten. Bei der Vermarktung können die Frauen ja auch tatsächlich von den Männern lernen. Zudem soll diskutiert werden, ob es eine statuarische Verpflichtung für die Lizenzvereine der Männer geben soll, eine Frauen- und Mädchenabteilung zu führen. Einen solchen Vorschlag hatte DFB-Chef Keller beim Amtsantritt schon vor anderthalb Jahren gemacht - und war vielerorts auf taube Ohren gestoßen. Vielleicht hilft es ja jetzt, wenn die DFL-Beraterin Heidi Möller an die Forderung eines Taskforce-Mitglieds erinnert: »Wir müssen neue Heldinnen generieren.« Ganz egal, ob auf und abseits des Platzes. Hauptsache, die Frauen strahlen so sichtbar wie die Professorin auf dem Podium.
Sportlich ist das an diesem Wochenende wieder möglich. Während die Männer in diesem Winter keine wirkliche Ruhephase hatten, wird die Bundesliga der Fußballerinnen nun nach anderthalbmonatiger Pause wieder angepfiffen.
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