Die Hochglanz-Kapitalismus-Show

Die Werbung und das Geschäft um die Aufmerksamkeit steht im Zentrum des Super Bowl

  • Felix S. Schulz
  • Lesedauer: 4 Min.

Wenn Millionen Menschen parallel vier Frauen, so groß wie Fingerhüte, dabei begleiten, wie sie auf Miniaturpferden durch eine Wild-West-Stadt reiten und mit Smartphones für Schuhe bezahlen; wenn sie Astronauten beobachten, wie sie auf dem Meer eines natürlichen Todes sterben, weil die Kommandozentrale die Geschmackssorten von Kartoffelchips vergleicht, dann ist gerade eine von vielen Werbepausen beim diesjährigen größten Sportevent der USA.

Der jährliche Super Bowl ist ein US-amerikanisches Massenphänomen und ein internationaler Exportschlager. Doch ebenso trügerisch wie der Name des Sportes, American Football -ein ledernes Ei wird hauptsächlich mit Händen gespielt - ist auch die Annahme, im Zentrum des Football-Finales stünde Football. Tatsächlich geht es bei dem Sportereignis meist weniger um die sportliche Leistung als um den Eventcharakter, um die Halftime Show und - wir sind schließlich im Land des ungezügelten Kapitalismus - die gezeigten Werbespots.

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Der Super Bowl-Abend ist mit dem Charakter des WM-Finales und dessen Bedeutung in Europa gleichzusetzen. Er ist gleichbedeutend mit geselligem Beisammensein, bei dem im Bekanntenkreis die Nationalhymne gesungen, das Team der Wahl bejubelt, gefeiert und getrunken wird. Die Regeln des Spiels laden zudem zu häufigen Werbepausen ein.

Wird sich beim Fußball hierfür auf die Halbzeitpause beschränkt, so dienen häufige Spielunterbrechungen und die Aufteilung in vier sogenannte Quarters dazu, die Zuschauenden kontinuierlich an die Marken zu erinnern, die sie doch bitte nach Abpfiff kaufen mögen. Den eigentlichen Höhepunkt findet der Abend in der Mitte des Spiels, der Halftime Show.

Hier performen große Stars zu Feuerwerk ihre Lieder - im letzten Jahr tanzten und sangen Jennifer Lopez und Shakira eine erfrischende Performance bei der großen PEPSI Halftime Show. In diesem Jahr wird der R&B- und HipHop-Künstler The Weeknd trotz Corona vor 20.000 Zuschauern live im Stadion und Millionen, die das Event von zuhause verfolgen, auftreten. The show must go on, whatever the cost.

Für ein Event mit dieser Bedeutung kostet eben auch ein Werbeblock entsprechend: Rund fünfeinhalb Millionen US-Dollar legen die Unternehmen dieses Jahr für 30 Sekunden Sendezeit auf den Tisch. Doch sie bekommen nicht nur diese, sie werden Teil des Gesprächs. Denn der Superbowl ist der eine Tag im Jahr, an dem man sich auf Werbung freut - an dem die Werbung im Zentrum des Gesprächs steht, für viele sogar mehr als das Spiel selbst.

Die Werbeblöcke haben eine derartige kulturelle Dominanz inne, dass sie in den Massenmedien selbst in den darauffolgenden Wochen noch rezipiert werden. Das rechnet sich, für die bekanntesten Marken der Welt wie McDonalds oder Coca Cola. Das ist in diesem Jahr, gezeichnet von einer weltweiten Pandemie, die vieles unmöglich macht, was sonst Alltag ist, anders.

Erst kürzlich mussten britische Brauereien fast 50 Millionen Liter Bier vernichten, die wegen geschlossener Pubs nicht getrunken wurden. Konsequenterweise wirbt der US-Bierkonzern Budweiser zum ersten Mal seit 37 Jahren nicht beim Super Bowl. Dafür schlagen andere Marken zu. Nachdem das Pandemiejahr 2020 eine massive Steigerung der Absätze für die Autoindustrie zeigte, werden Hyundai, Ford und der Autoverkäufer vroom.com um die Gunst der Konsumenten buhlen.

Selbstverständlich darf bei einem »Super Event« wie dem Super Bowl die Werbung nicht durchschnittlich sein, sondern muss hohen Qualitätsansprüchen gerecht werden. Unter einem John Cena, mit dem wir Mountain Dew Flaschen zählen, um eine Million zu gewinnen oder einem eigenen Avengers-Team für einen Bierhersteller braucht sich dieses Jahr niemand überhaupt bemühen.

Finish Strong: Extended Version | Super Bowl LV Commercial | Ford

Und so wirkt jede Werbung wie ein kleiner Film, wie 30 Sekunden Hollywood mit Produktplatzierung. Spätestens 1984 hob der Technikriese Apple den Standard für die Clips mit einem Werbespot, der Geschichte schrieb. Mit einem Bezug auf Orwells Roman 1984 erklärte das Unternehmen, das Jahr 1984 würde nicht wie das Buch 1984 werden, dazu zerstörte eine leicht bekleidete Frau mit einem Hammer einen gigantischen Bildschirm, der graue Arbeiter kontrollierte.

Das Spiel blieb kaum jemandem in Erinnerung, die Werbung brannte sich jedoch in das kulturelle Gedächtnis der USA ein. Und so werden, wie in den letzten Jahrzehnten, auch in der nächsten Woche die medialen Diskurse um den Super Bowl LV weniger von den Teams bestimmt werden, als von kleinen Pferden und Astronauten auf dem Ozean.

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