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Wahlkampfschlager Untersuchungsausschuss
Die Abläufe um die Berliner Vorkaufsgenossenschaft Diese eG beschäftigen nun die Mitglieder des Abgeordnetenhauses
Ein »Stoppzeichen gegen einen Mietenpopulismus« möchte Stefan Evers mit dem Untersuchungsausschuss zur Vorkaufsgenossenschaft Diese eG setzen. Das erklärt der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus am Freitagnachmittag nach der ersten Sitzung des Ausschusses, an dem er als Sprecher seiner Fraktion teilnimmt. Das Land Berlin sei »in Geiselhaft genommen worden« durch den Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne).
»Wir werden ganz stark auf den Senat von Berlin schauen. Die zentrale Figur in dem Dickicht ist nicht Florian Schmidt, sondern Sebastian Scheel«, sagte Evers bereits am Freitagvormittag bei einer Online-Pressekonferenz zum Thema. Auf Nachfrage erklärte er dann, dass nicht nur Stadtentwicklungssenator Scheel von der Linken Verantwortung trägt, sondern auch Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) als Aufsichtsratsvorsitzende der Förderbank Investitionsbank Berlin, die SPD-Senatoren Matthias Kollatz (Finanzen), der dem Projekt Diese eG im Vorfeld politische Unterstützung zusicherte, und Andreas Geisel (Inneres), der für die Aufsicht der Bezirke zuständig ist. Man plane aber »keine Generalabrechnung mit der Möglichkeit von Vorkäufen per se«, versicherte Evers.
Es geht um Vorgänge aus dem Jahr 2019. Damals wurde die Diese eG auf Initiative von Florian Schmidt gegründet, um für Häuser, deren Preise die Finanzierungsbereitschaft der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sprengen, trotzdem das bezirkliche Vorkaufsrecht ausüben zu können. Über die Genossenschaft waren Mieter bereit, zum Teil hohe Geldsummen als Einlagen bereitzustellen. Über Förderungen des Landes und Darlehen der Investitionsbank sollte der restliche Betrag aufgebracht werden. Die Finanzierung war äußerst knapp berechnet, in Schwierigkeiten kam die Diese eG, weil es große Verzögerungen bei der Bewilligung der Landesmittel gab. Im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses blockierte SPD-Frak᠆tionsgeschäftsführer Torsten Schneider zunächst die Freigabe. Dadurch entstand tatsächlicher finanzieller Schaden, der sich auf bis zu 270 000 Euro belaufen kann. »Hier muss jedoch berücksichtigt werden, dass diese Kosten vor allem aus den nicht vom Bezirksamt verantworteten Verzögerungen resultieren«, erklärte Florian Schmidt im Oktober 2020.
Der Untersuchungsausschuss ist der vierte in dieser Legislaturperiode und nach Ansicht der Koalition nach jenem zur Entlassung von Hubertus Knabe als Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen der zweite, der vor allem Wahlkampfzwecken der Opposition dient. Sie wolle »Radau im Wahlkampf«, urteilt SPD-Parlamentarier Christian Hochgrebe. Die Staatsanwaltschaft habe den Fall beleuchtet, doch die »objektivste Behörde der Welt« konnte nichts Strafwürdiges in dem Vorgang entdecken und hat die Verfahren eingestellt.
Der Rechnungshof bemängelte in einer Prüfung, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der Diese eG nicht ausreichend geprüft worden sei. Andreas Otto, für die Grünen im Untersuchungsausschuss, wundert sich, dass die Vorgänge um die Diese eG so genau geprüft werden, andere Fälle aus dem Rechnungshofbericht, wo es um weit höhere Summen gehe, jedoch nicht.
»Wenn man am Ende des Ausschusses zu Erkenntnissen kommt, wie man Verbesserungen bei der Ausübung der Vorkaufsrechte erreicht, dann war der Ausschuss vielleicht trotz aller politischen Wahlkampfauseinandersetzungen nicht umsonst«, sagt Michail Nelken von der Linken.
Rund 30 000 Euro kostet jeder Monat Ausschussarbeit den Steuerzahler. Bis zur Sommerpause im Juni soll er die Arbeit beendet haben. Acht Sitzungen im Zwei-Wochen-Rhythmus stehen bis dahin an, 16 Zeugen sollen geladen werden. Den Anfang soll nach nd-Informationen ein Vertreter des Rechnungshofs am 16. Februar machen, einen Monat später soll neben Florian Schmidt auch der Tempelhof-Schöneberger Stadtrat Jörn Oltmann (Grüne) vorgeladen werden. Auch er übte ein Vorkaufsrecht zugunsten der Diese eG aus.
Für die FDP stellt Ausschussmitglied Bernd Schlömer klar: »Es geht uns nicht darum, herauszuarbeiten, was besser gemacht werden kann.« Einige Mitglieder der Partei haben 2019 viele Hebel in Bewegung gesetzt, um der Diese eG Steine in den Weg zu legen.
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