Eiskalt erwischt
Berlins größtes Obdachlosencamp überfallartig geräumt - angeblich wegen Kälte
Berlin. Schneefall, eisiger Ostwind, bittere Kälte: Der Wintereinbruch hat - wie vorausgesagt - am Wochenende zunächst die Mitte, dann den Norden Deutschlands erreicht. Die Nachricht, dass es frostig werden würde, scheint im Berliner Bezirk Lichtenberg jedoch später angekommen zu sein als in anderen Teilen der Republik. In der Nacht zum Samstag ließ der Bezirk das größte Obdachlosencamp der Stadt an der Rummelsburger Bucht kurzfristig räumen - überraschend für die rund 100 Bewohnerinnen und Bewohner. »Wegen des Wetters ist die Lage sehr bedrohlich, wir können nicht mehr gewährleisten, dass Leib und Leben für die Menschen hier gesichert sind«, hatte der stellvertretende Bürgermeister von Berlin-Lichtenberg, Kevin Hönicke (SPD), zuvor gesagt.
Tatsächlich sollen die Menschen zunächst in Hostels untergebracht werden. Dass sie jedoch bei höheren Temperaturen auf die Brache beim Ostkreuz zurückkehren können, bezweifeln wohl nicht nur jene Linke, die am Samstag gegen die überfallartige Räumung des Camps protestierten. »Die Räumung spielt den Eigentümern jetzt natürlich in die Hände«, sagte eine Aktivistin dem »nd«. Das Gelände ist in Privatbesitz, und genau an der Stelle des Camps ist der Bau des Aquariums »Coral World« vorgesehen. Ein Bauantrag liegt jedoch noch nicht vor. Für Sonntagabend wurde zu einer Demonstration unter dem Motto »Krieg den Palästen! Friede den Hütten!« in der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain aufgerufen.
In Hamburg stellt die Sozialbehörde derweil Obdachlosen 35 Einzelzimmer zur Verfügung, die innerhalb kurzer Zeit vergeben waren. Was wiederum zeigt, dass der Bedarf an solchen Unterkünften deutlich höher sein dürfte. Und das nicht nur in der vielleicht kältesten Woche des Winters, die gerade erst angefangen hat. Berlin hat seine Notübernachtungsplätze für Obdachlose deshalb auf 1426 aufgestockt - so viele wie noch nie. Darunter sind auch Zimmer in Hostels: Im »Sezer Hotel« in Treptow-Köpenick stehen 70 Plätze bereit, in der Pension Reiter in Friedrichshain 40 und im Hostel »Pfefferbett« in Pankow 90 Plätze.
+++++++
In einer ersten Version stand an dieser Stelle, dass Hamburg im Gegensatz zu Berlin Obdachlosen Einzelzimmer zur Verfügung stellt. Die entsprechende Passage haben wir mit aktuellen Zahlen aus Berlin ergänzt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!