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Alltag und Ausgrenzung
Unter Denkmalschutz: Die Komödie »Herren« begleitet eine Berliner Kloputzkolonne
Wer Denkmalschutz hört, denkt wohl eher an verwinkelte Schlösser, trutzige Burgen, vielleicht auch an die eigene Altbauwohnung, aber vermutlich nicht an Toilettenhäuschen im öffentlichen Raum. Auch Ezequiel geht es da nicht anders, als der arbeitssuchende Capoeira-Lehrer den Fahrerposten einer angeblichen Denkmalschutzfirma antritt. Doch kaum, dass er das Personal zum ersten Objekt gefahren hat, merkt Ezequiel, was sie genau schützt: Berlins berühmte Klohäuser aus dem 19. Jahrhundert - Stahlmonumente längst vergangener Zeiten. »Café Achtecke«, nennt sie sein neuer Chef Reynaldo.
Im Prinzip läuft es ganz einfach: Säubern, entkalken, desinfizieren »und in 15 Minuten fertig«. So leicht. Und doch so kompliziert. Denn Freigeist Ezequiel will nicht putzen, sondern tanzen. Weil er die Leitung seiner Kampfsportschule nicht bekommen hat, erscheint ihm die Arbeit hinter dem Lenkrad zwar akzeptabel. Aber Pissoirs reinigen? »Bah«, macht er da nur, weshalb ihn seine Kollegen entgeistert fragen, ob er sich für etwas Besseres halte. Und hier nun wird es in der wunderbaren Tragikomödie »Herren« bei aller Leichtigkeit wirklich kompliziert. Unter der Leitung des preisgekrönten Regisseurs Dirk Kummer (»Zuckersand«) nämlich entspinnt sich ein Fernsehspiel über Rassismus, Ausgrenzung, Homophobie und Diversität, das mit spürbarer Freude am Klischeebruch Genregrenzen sprengt wie kaum eines zuvor.
Ezequiel, das ist zugleich banal und bedeutsam, stammt aus Brasilien, Reynaldo dagegen aus Kuba und sein Putzpartner Jason? Kreuzberg Deluxe, sagt er. Herkunft egal. Haltung nicht. »Mir kann keiner meine Würde nehmen«, erklärt der Freizeitrapper dem Aushilfsfahrer mit Profilneurose, als der seine Kollegen drauf hinweist, »in diesem Land nur die Drecksarbeit« zu machen. Das sei Rassismus. Rassismus, den Ezequiel wieder erleben muss, als ihm jemand auf der Parkbank Kleingeld in den Kaffeebecher wirft und eine weiße Deutsche ihn mit dem Gemüsehändler verwechselt. Ist es auch Rassismus, wenn ein Deutschkubaner einen Deutschbrasilianer und weitere Schwarze Personen und Menschen of Colour anstellt, um »einen Dienst an der Gesellschaft zu leisten«, wie er es nennt?
Spätestens an dieser Stelle droht »Herren« das zu werden, was deutsche Filme, die Rassismus behandeln, ständig sind: Opferdramen, Täterdramen. Sozialdramen einer Gesellschaft, die ihre Minderheiten fiktional unverdrossen als Problemherde inszeniert. Da ist es erfrischend, dass Kummer doch einen ganz anderen Weg wählt. Seine Schwarzen Hauptcharaktere leiden natürlich auch unter dem gesellschaftlichen Rassismus. Wenn Ezequiel aber an der Realität verzweifelt, wenn er von seinem Sohn Stevie deshalb mehr als eine Friseurlehre erwartet, wenn dessen Mutter Marta trotz systemrelevanter Arbeit als Krankenpflegerin das Geld ausgeht, haben ihre Sorgen zusätzlich auch mit den Geschlechterfragen im Turbokapitalismus zu tun.
Auf Basis von Warwick Collins’ Roman »Gents« über drei jamaikanische Klohausbetreiber im London der 80er Jahre, geht es der deutschen Adaption also weniger um Ausgrenzung als um Einbindung, um den Alltag statt den Ausnahmezustand, um ein besseres Leben im Falschen einer Nation, »in der man Betonköpfen noch immer erklären muss, dass Vielfalt das Wichtigste ist«, wie es der homosexuelle Regisseur Kummer im Gespräch mit »nd« ausdrückt.
Um diese Vielfalt musste Kummer jedoch kämpfen: Fünf Topplätze der Besetzungsliste zu dieser Sendezeit mit Schwarzen Menschen oder People of Colour zu besetzen - »das gab es bislang noch nie«. Leider! Schließlich sind Tyron Ricketts (Ezequiel), Komi Mizrajim Togbonou (Reynaldo), Nyamandi Adrian (Jason), Dalila Abdallah (Marta) und Pablo Grant (Stevie) nicht nur fabelhafte Schauspieler; sie schaffen es auch, die Coming-of-Age-Erzählung eines Mannes im Griff der Midlife-Crisis heiter zu erzählen, ohne je peinlich zu sein. Dieser Film verdient schon heute Denkmalschutz.
»Herren«, am 10. Februar um 20.15 Uhr auf ARD.
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