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Garnisonkirche auf Steuermittel und Sand gebaut
Gegner des umstrittenen Wiederaufbaus in Potsdam halten dessen vorgebliche Spendenfinanzierung für unseriös
Seit Jahren drohe der Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche für die Steuerzahler »ein Fass ohne Boden« zu werden, sagt der Bundestagsabgeordnete Norbert Müller (Linke). »Das Warten auf Spenden für die Stiftung Garnisonkirche wirkt dabei zunehmend bizarr.« Erst sollten Kredite der evangelischen Landeskirche einen Spendenboom auslösen, dann Fördermittel der Bundesregierung und schließlich der Baustart. »Nichts davon ist eingetreten«, urteilt Müller.
In der Kirche hatten die Faschisten 1933 die Eröffnung des Reichstags zelebriert. Nicht nur deshalb ist der Wiederaufbau umstritten. Am Mittwoch stellen Gegner des Projekts einen Recherchebericht zu Fördermitteln vor: Architekturprofessor Philipp Oswalt von der Universität Kassel, Sara Krieg von der Bürgerinitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche und Carsten Linke vom Verein zur Förderung antimilitaristischer Traditionen in der Stadt Potsdam.
Finanzierung durch Spenden versprochen
»Der Bau sollte allein aus Spenden finanziert werden«, erinnert Oswalt. »Er sollte weder den Staat noch die Kirche Geld kosten.« Unter dieser Bedingung habe die Stadt dem Bauprojekt zugestimmt. Mittlerweile habe der Bund jedoch beträchtliche Summen bewilligt und weitere Beträge in Aussicht gestellt - zusammen 25,5 Millionen Euro. Das Land Brandenburg habe 2,2 Millionen bezahlt, die evangelische Kirche fünf Millionen Kredit gegeben. Weniger als die Hälfte, vielleicht nur ein Viertel der Baukosten werde noch aus Spenden bezahlt, sagt Oswalt.
Angefangen habe die Misere mit zunächst zwölf Millionen Euro vom Bund. Das sei der Punkt gewesen, von dem an keine Umkehr mehr möglich ist. »Alle Probleme später ergeben sich daraus.« Dabei gab es Warnungen, dass die öffentliche Hand am Ende sehr viel mehr Geld in den Wiederaufbau werde stecken müssen, um den einmal begonnenen Bau zu vollenden. Oswalt zieht Vergleiche zur Kostenexplosion bei der Hamburger Elbphilharmonie und beim Flughafen BER in Schönefeld. Mit neuerlichen 8,25 Millionen Euro vom Bund seien die Finanzierungslöcher bei der Garnisonkirche nicht gestopft.
»Es ist nichts Illegales passiert«, stellt Oswalt klar. Aber: »Es ist einfach unseriös.« Im juristischen Sinne sei es kein Betrug, aber die Situation sei schöngerechnet worden, damit der Wiederaufbau des 88 Meter hohen Kirchturms erst einmal starten durfte. Im Jahr 2011 sei von 39 Millionen Euro Baukosten für den Turm die Rede gewesen. Als es 2017 losging, hätte man nach dem Baupreisindex - es war alles teurer geworden - von 44,2 Millionen Euro ausgehen müssen. Da habe es aber plötzlich geheißen, der Turm werde sogar billiger und nur 35,6 Millionen Euro kosten. Die Summe sei durch Umplanungen reduziert worden, man habe beispielsweise an der Klimatisierung gespart, hieß es. Oswalt weiß dies. Er hält das aber nicht für nachvollziehbar. Im Jahr 2020 sei man dann doch wieder bei 44 Millionen Euro gewesen. »Diese Kostenentwicklung ist keine Überraschung.«
Zweifel an Einnahmen und Ausgaben
Das selbe Spiel gab es laut Oswalt bei den Betriebskosten. 2005 sei mit jährlichen Einnahmen von 555.000 Euro und Ausgaben in selber Höhe gerechnet worden, 2016 dann mit 610.000 Euro Einnahmen und 443.000 Euro Ausgaben. Mit der Differenz von 167.000 Euro könnte der Kredit der evangelischen Kirche getilgt werden. Doch Oswalt würde seine Hand dafür ins Feuer legen, dass die Einnahmen am Ende niedriger und die Ausgaben höher sein werden.
Antimilitarist Carsten Linke sieht das genauso. In der Rechnung fehlen ihm zufolge die Personal- und die Instandhaltungskosten, vielleicht auch die Wartung des Fahrstuhls zur Aussichtsplattform und die Reinigung. »Das ist keine Transparenz«, beschwert sich Linke. Da die Garnisonkirche mangels der versprochenen Spendensummen mittlerweile ein öffentlicher, ein »staatlich finanzierter Sakralbau« sei, müsste die Stiftung offenlegen, wer welche Beträge spendiert und für welchen Zweck.
Auch Sara Krieg von der Initiative »Potsdam ohne Garnisonkirche« fordert eine Offenlegung der Finanzen inklusive die Veröffentlichung des jährlichen Berichts eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers. Die zuletzt vom Bund verheißenen 8,25 Millionen Euro sollten erst einmal nicht bewilligt werden, meint Sara Krieg.
Die Stiftung winkt ab
Der für Kommunikation zuständige Vorstand Wieland Eschenburg wirbt um Verständnis dafür, dass seine Stiftung Garnisonkirche »nicht alles stehen und liegen lassen kann«, weil sich drei Kritiker offensichtlich viele Monate Zeit genommen haben, um das vorgelegte Papier zu erstellen. »Wir werden natürlich die Ausarbeitung studieren, haben aber keine Veranlassung, jetzt hektisch zu reagieren«, sagt Eschenburg. Seit der Gründung der Stiftung und der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Kirche »werden Jahresabschlüsse geprüft und attestiert, die zuständigen Stellen der Vereins- und Stiftungsaufsicht, die Wirtschaftsprüfgesellschaften und letztlich die Fördermittelgeber und seit vergangenem Jahr auch der Bundesrechnungshof, gehen alle mit professioneller Sorgfalt an ihre Aufgaben«, versichert Wieland. Die demokratische Legitimation ziehe der Wiederaufbau aus sämtlichen mit guter Mehrheit gefassten Beschlüssen in politischen und kirchlichen Parlamenten. »Wenn man in solcherlei Abstimmungen mit seiner Meinung keine Mehrheit gefunden hat, gehört es zum guten Ton, die Mehrheitsmeinung zu akzeptieren.«
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