Symbolpolitik statt mehr Kinderrechte

Geplante Grundgesetzänderung hat laut Gutachten keinen Effekt

Kinderrechte sollen explizit im Grundgesetz verankert werden. Das hat am 22. Januar das Kabinett beschlossen. Die »besondere Bedeutung von Kindern und ihren Rechten« soll dadurch hervorgehoben werden. Dass es in Deutschland »erhebliche Defizite« bei der Umsetzung des internationalen Übereinkommens über die Rechte des Kindes gibt, haben schon im Jahr 2017 zwei Gutachten attestiert, die im Auftrag des Bundesfamilienministeriums entstanden sind. Schon im Jahr 2007 hatte das Aktionsbündnis Kinderrechte eine Kampagne gestartet, um Kinderrechte ins Grundgesetz zu bringen.

Damit der Mitte Januar vom Kabinett beschlossene Entwurf zur Änderung von Artikel 6 des Grundgesetzes, der das Zusammenspiel von Familien und Staat regelt, umgesetzt werden kann, ist noch eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig. Ob diese erreicht wird, ist jedoch fraglich, da der Entwurf von der Opposition kritisiert wird, deren Stimmen jedoch für die Zweidrittelmehrheit benötigt werden.

Norbert Müller, kinder- und jugendpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, kritisiert den Entwurf als unzureichend: »Es kann doch nicht sein, dass wir nach den jahrelangen Debatten jetzt hinter die Kinderrechtskonvention zurückfallen.« Ohne ein Mehr an Beteiligungsrechten für die Jüngsten sei eine Grundgesetzänderung mit der Linken nicht zu machen. Laut Entwurf soll die Formulierung »Kinderrechte sind angemessen zu berücksichtigen« ins Grundgesetz. Müller fordert stattdessen die Formulierung »Kinderrechte sind vorrangig«.

Die scheinbar minimalen Unterschiede könnten gravierende Auswirkungen auf spätere Gerichtsurteile haben. Auch in einem von Müller in Auftrag gegebenen Gutachten zu dem Gesetzesentwurf heißt es, für die »Grundrechte des Kindes« ergäben sich »keine Änderungen«. In der vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages erstellten und letzte Woche veröffentlichten Expertise wird zudem festgestellt, dass die Beteiligungsrechte von Heranwachsenden im Vergleich zu den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention in dem Gesetzesentwurf »weit« zurück bleiben. »Jetzt haben wir es schwarz auf weiß. Anstatt Kinder zu stärken, übt sich die Bundesregierung in Symbolpolitik mit Verfassungsrang«, kommentierte Müller das Gutachten am Dienstag.

Auch Unicef Deutschland und das Kinderhilfswerk, beide Teil des Aktionsbündnisses Kinderrechte, kritisieren den Gesetzesentwurf als unzureichend. Ob Kinder und Familien »die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz als einen tatsächlichen Fortschritt oder nur als Alibi-Erklärung empfinden werden, hängt davon ab, ob Bund und Länder ihrer Verantwortung gegenüber Kindern und Jugendlichen nachkommen«, so Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes. Christian Schneider, Geschäftsführer von Unicef Deutschland, forderte mit Blick auf den Entwurf, dass die Politik sich auf »eine kluge Formulierung« verständigen sollte.

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