Obdachlos im Berufsverbot

Eine Flüchtlingsunterkunft bietet Wohnraum für 20 trans Sexarbeitende

  • Quynh Tran
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit dieser Woche gibt es in der von der Schwulenberatung Berlin betriebenen Unterkunft für queere Geflüchtete in Treptow 20 Plätze für trans* Sexarbeiter*innen, die akut von Obdachlosigkeit bedroht sind. Damit reagiert das Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) auf wiederholte Berichte über die prekäre Lage von Sexarbeiter*innen in der Hauptstadt.

Bereits während des ersten Lockdowns machte eine Vielzahl von Verbänden und Vereinen auf die miserable Lage von Sexarbeiter*innen aufmerksam: Betroffen von einem faktischen Berufsverbot waren weder Einzelpersonen noch Bordelle berechtigt, staatliche Subventionen zu beantragen. Zudem haben laut Statistischem Bundesamt über 80 Prozent der Sexarbeiter*innen in Deutschland eine andere Nationalität - und das ist nur die Erhebung unter den gewerblich angemeldeten Prostituierten. Die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher sein. Viele der Sexarbeiter*innen mit Migrationshintergrund haben ihren Lebensmittelpunkt in einem anderem Land. Sie pendeln zwischen Herkunfts- und Arbeitsland. Und im Arbeitsland ist der Wohnort oft das Bordell. Doch diese sind nun geschlossen. Dadurch sind viele dieser Sexarbeiter*innen akut von Obdachlosigkeit bedroht. Oftmals haben sie auch keinen Anspruch auf Sozialleistungen.

Eine weitere Dimension der Marginalisierung kommt bei Sexarbeiter*innen hinzu, die sich als trans* definieren, die sich also nicht - oder nicht nur - mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Oft scheuen sich trans* Sexarbeiter*innen aus Angst vor Diskriminierung und Gewalt, klassische Anlaufstellen bei Wohnungslosigkeit aufzusuchen. »Unsere Beobachtung ist, dass trans* Personen die Wohnungslosenunterkünfte der Bezirke meiden, weil ihnen dort die besondere Betreuung fehlt, wie wir sie in unserer Unterkunft anbieten«, so Marcel de Groot, Geschäftsführer der Schwulenberatung Berlin. Als Reaktion auf einen Lagebericht des queeren Stadtmagazins »Siegessäule« machte seine Einrichtung dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten Ende Januar den Vorschlag, die queere Flüchtlingsunterkunft für trans* Sexarbeiter*innen zu öffnen, die von Obdachlosigkeit bedroht sind.

LAF-Präsident Alexander Straßmeir, der die Initiative schnell befürwortete, pflichtet de Groot bei: »Trans* Personen, die prekär leben, sind nicht nur durch die Obdachlosigkeit selbst, sondern auch aufgrund ihrer Identität verschiedensten Diskriminierungen und auch physischen Gefährdungen ausgesetzt.«

Eigentlich ist das LAF für die Unterbringung von Asylbewerber*innen zuständig und bringt auf dem Weg der Amtshilfe für die Bezirke bereits statusgewandelte Geflüchtete unter. Dass die vom LAF betriebene Unterkunft nun ihre Türen für auf diese Art von Obdachlosigkeit bedrohten Menschen ohne Flüchtlingsstatus öffnet, ist ein Sonderfall, mit dem man auf die Lockdown-Notlage reagiert.

»Wir haben aktuell freie Kapazitäten in unserer Unterkunft und es kann nicht sein, dass diese Kapazitäten in den Wintermonaten nicht genutzt werden,« sagt Stephan Jäkel, systemischer Therapeut und Abteilungsleiter für die Prävention von HIV und sexuell übertragbaren Krankheiten sowie Flucht bei der Schwulenberatung. »Die Situation von trans* Sexarbeiter*innen war schon vor der Pandemie prekär; das Arbeitsverbot im Zuge des Lockdowns und der harte Winter haben diese Gruppe noch angreifbarer gemacht.«

Jäkel räumt allerdings auch die Schwierigkeiten ein, die sich bei der Unterbringung ergeben könnten: »Ob das tragfähig ist, muss sich erst herausstellen. Potenzielle Bewohner*innen müssen erst bei den sozialen Hilfen vorsprechen, um einen Platz in der Unterkunft zu beantragen. Das ist erst mal eine psychologische Hürde. Welche bürokratischen und rechtlichen Hürden darüber hinaus dazukommen, muss sich noch zeigen.«

Ob das Betroffene davon abhalten könnte, die Hilfe in Anspruch zu nehmen, wird sich in den nächsten Wochen herausstellen. Bis zum 21. Mai gilt die Ausnahmeregelung. Vielleicht könnte sie ein Präzedenzfall sein, das Angebot für bedürftige Menschen in Zukunft zielorientierter und flexibler zu gestalten.

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