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»Tot sind wir erst, wenn man uns vergisst«
Die Hanauer Bildungsinitiative Ferhat Unvar ist ein Pilotprojekt für Sensibilisierungsarbeit und gegen Rassismus
In der Gründungsphase der »Bildungsinitiative Ferhat Unvar« hast du mal zu mir gesagt: »Wenn wir das geschafft haben, dann werde ich am Grab meines Sohnes stehen und sagen: Das war dein Kampf, und du hast es geschafft.« Was genau ist dein Ziel mit der Bildungsinitiative?
Ich habe die Bildungsinitiative gegründet, um Jugendlichen und Eltern eine Anlaufstelle zu schaffen, wenn sie mit Alltagsrassismus oder Rassismus in den Schulen konfrontiert werden. Die Bildungsinitiative möchte aber auch aktiv in Schulen gehen und Brücken bauen, zwischen Schüler*innen und Lehrer*innen und Familien. Wir möchten Workshops entwickeln, an deren Konzeption sich Jugendliche aktiv beteiligt haben. Ihre Perspektiven einbringen. Diese Workshops möchten wir den Schulen anbieten. Unser Ziel ist es, Rassismus an Schulen und im Alltag entgegen zu wirken, damit sich Kinder und Jugendliche sicher fühlen und ihr volles Potenzial entfalten können.
Dass Ferhat ein intelligenter junger Mann war, hast du mehrmals in Interviews erwähnt. Er war auch kritisch gegenüber dem deutschen Bildungssystem eingestellt und hatte lange Jahre Rassismus erfahren. Ist das der Grund, warum du dich mit dem Alltagsrassismus beschäftigen willst?
Ja, die Erfahrungen, die ich mit Ferhat gemacht habe, sind meine Hauptmotivation, aber ich möchte natürlich auch anderen Familien und Jugendlichen helfen. Nicht nur Ferhat hat diese Situationen und rassistischen Erfahrungen erlebt, sondern für viele Kinder ist das der Alltag.
Sehr authentisch und aufrichtig erzählst du auch negative Dinge von deinem Sohn. Zum Beispiel, dass ihr oft Streit hattet. Worum ging es und was kannst du heute eher erkennen, was du damals nicht direkt erkannt hattest?
Wir haben uns oft gestritten, weil die Lehrer sich über ihn beschwert haben und uns Druck gemacht haben. Ich hatte große Angst um seine Zukunftschancen. Obwohl er ein überdurchschnittlich intelligenter Junge war, hat er oft schlechte Noten bekommen. Er konnte spüren, wenn ihn Lehrer nicht mochten. Und das hat ihn sehr belastet. Damals habe ich die Schuld oft bei ihm gesucht, weil ich den Lehrern geglaubt und vertraut habe. Ich habe den Druck, den die Schule gemacht hat, an ihn weitergegeben. Und wir hatten deswegen oft Streit. Das bereue ich heute sehr.
Welche konkreten Pläne hat die Bildungsinitiative zum Jahrestag am 19. Februar und danach?
Wir haben dieses Jahr keine eigene Veranstaltung organisiert, aber vier unserer Trainerinnen nehmen an einem Online-Workshop zum 19. Februar teil, der von Respect Coaches organisiert wurde. Außerdem bin ich Teil einer Lesung am 17. Februar, die vom Stolze-Augen-Verlag organisiert wurde. Dieser gibt ein Buch »Texte nach Hanau« heraus, für das ich das Vorwort geschrieben habe. Darin ist auch ein Text von Ferhat enthalten.
Du hast dich in letzter Zeit viel mit den Jugendlichen, die sich in der Bildungsinitiative engagieren, ausgetauscht. Was hast du mitgenommen?
Die Jugendlichen, die in der Bildungsinitiative aktiv sind, sind unglaublich. Sie sind so engagiert und kreativ und motiviert. Sie geben mir Kraft, und sie geben mir Hoffnung. Hoffnung, dass wir gemeinsam etwas bewegen und verändern können. Dass wir eine bessere Zukunft für Kinder und Jugendliche gestalten können. Ich bin ihnen sehr dankbar.
Wie wird die Initiative unterstützt?
Die Resonanz ist sehr positiv, viele Menschen und Organisationen wollen uns unterstützen, und auch die Stadt Hanau hat ihre Hilfe angeboten. Wir brauchen wirklich viel Unterstützung. Wir bauen diese Organisation gerade erst auf. Wir wollen Räume anmieten. Wir brauchen eine Ausstattung und so weiter. Wer uns unterstützen will, kann an uns spenden. Wir sind für jeden Beitrag dankbar.
Wo siehst du die Bildungsinitiative in fünf Jahren?
Ich wünsche mir, dass die Bildungsinitiative Ferhat Unvar ein Pilotprojekt ist, das andere Projekte, die in die gleiche Richtung gehen, inspirieren wird. Ich hoffe, dass wir uns fest im Bildungsbereich etablieren und antirassistische Bildungsarbeit voranbringen können. Ich wünsche mir, dass es in jeder Stadt in Deutschland Anlaufstellen für Jugendliche und Eltern geben wird, die von Rassismus betroffen sind. Ich wünsche mir, dass die Schulen Sensibilisierungsarbeit leisten, damit kein Kind mehr diskriminiert wird, Angst haben oder sich wertlos fühlen muss.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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