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Frankreich streitet über Werte
In der Debatte über Gesetz gegen den Islamismus bekommt Macrons Regierung Kritik von links und rechts
Nach einer Abstimmung am kommenden Dienstag ist die erste Lesung des »Gesetzes zur Stärkung des Respekts vor den Prinzipien der Republik« in der Nationalversammlung abgeschlossen. Am Ausgang besteht angesichts der Mehrheitsverhältnisse zugunsten der Regierung kein Zweifel, und der Text wird dann dem Senat zugeleitet. Doch die zweite Kammer des Parlaments ist fest in der Hand der rechten Opposition und die kritisiert das Gesetz als viel zu lasch. Der Text richtet sich gegen alle Gruppierungen, die Tendenzen hätten, die Grundsätze der Republik anzugreifen und zu untergraben. Ihr Verbot soll durch das Gesetz vereinfacht und beschleunigt werden. Auch wenn das Wort nirgends vorkommt, so ist doch klar, dass sich das Gesetz vorrangig gegen den Islamismus richtet.
Allerdings haben auch reaktionäre fundamental-katholische Splittergruppen oder Sekten anderer Glaubensrichtungen die Gefahr erkannt, die ihren Aktivitäten droht. Ihre Kritik richtet sich etwa gegen das Verbot, Kinder ab drei Jahren nicht in die öffentlichen oder in anerkannte private Schulen zu schicken, sondern zu Hause zu unterrichten. Der »Hausunterricht« hat sich seit Jahren vor allem unter streng katholischen Familien ausgebreitet, die so ihre Kinder der laizistischen Erziehung der öffentlichen Schulen entziehen wollen. Nur zu oft dient der vorgebliche »Hausunterricht« aber auch dazu, muslimische Kinder in illegale Koranschulen zu schicken, wo sie indoktriniert werden.
Der Islamismus ist auch unterhalb der Schwelle der Gewalt und des Terrorismus eine Gefahr für das Zusammenleben aller Franzosen, indem er religiöse Gesetze über die der Republik zu stellen versucht. Das äußert sich beispielsweise in der Schule im Anzweifeln der Abstammungslehre und der Weigerung von Mädchen, am Sportunterricht teilzunehmen; bei Männern in der Weigerung, einer Frau die Hand zu geben, die eigene Frau durch einen Arzt und nicht eine Ärztin untersuchen zu lassen oder beispielsweise in öffentlichen Schwimmbädern für Frauen reservierte Zeiten einzuführen. Um all dem einen Riegel vorzuschieben, betont das Gesetz die Gleichstellung von Mann und Frau sowie das Verbot jeglicher Diskriminierung und droht verschärfte Strafen an. Das gleiche gilt für die Zwangsverheiratung und für Polygamie. Trägervereine von Moscheen müssen ihre Finanzierungsquellen offenlegen. Diese Gelder kommen aus Saudi-Arabien, Marokko, der Türkei oder anderen Ländern, die über die Muslime Einfluss in Frankreich suchen. Auch die Entsendung und Bezahlung von Imamen aus solchen Ländern will man schrittweise einschränken und schließlich sollen sie durch in Frankreich ausgebildete Imame ersetzt werden. Außerdem verbietet das Gesetz die Verbreitung von persönlichen Daten und anderen Informationen über Persönlichkeiten der Republik, ihrer Institutionen oder ihrer Ordnungskräfte »in der Absicht, diesen zu schaden«.
Während die rechte Opposition das Gesetz noch verschärfen will und beispielsweise fordert, das Kopftuchverbot über die Schulen, die Behörden und andere öffentliche Einrichtungen hinaus auch auf die Universitäten und auf kleine, noch nicht schulpflichtige Mädchen auszudehnen, stehen ihm die linken Parteien mehr oder weniger kritisch gegenüber. Einig sind sie sich in der Einschätzung, dass es durch die Emotionen nach den jüngsten islamistischen Terrorakten überstürzt formuliert wurde und dass es eigentlich überflüssig ist. Alles, worauf es zielt, sei bereits durch existierende Gesetze abgedeckt. Der öffentliche Dienst sei weniger durch den Islamismus gefährdet als durch die neoliberale Maßhaltepolitik und den Rückzug des Staats aus vielen Stadtvierteln, die man zu Ghettos verkommen lasse. Dem Zusammenhalt der Bevölkerung würde es mehr dienen, wenn man konsequent gegen jede Form von Rassismus und Diskriminierung vorgeht und beispielsweise die Polizei daran hindert, Jugendliche durch willkürliche Personenkontrollen nach Hautfarbe zu schikanieren. Jean-Luc Mélenchon, der Fraktionsvorsitzende der Bewegung La France insoumise, geht noch weiter und wirft der Regierung »Hysterisierung« vor. Das Gesetz sei nicht nur überflüssig, sondern »es stigmatisiert alle Muslime«.
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