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Warten auf eine Medaille
Die deutschen Biathletinnen und Biathleten können bei der WM in Pokljuka noch nicht glänzen
Den Oberkörper kerzengerade aufgerichtet, die Skier akkurat nebeneinander laufend, so glitt Tiril Eckhoff der Ziellinie entgegen. Unmittelbar vor dem Strich im Schnee machte die 30-jährige Norwegerin dann noch einen kleinen Hopser in die Luft und feierte so bei ihrem dritten WM-Start in Slowenien die dritte Goldmedaille. Eine hundertprozentige Erfolgsquote - die deutschen Biathletinnen dagegen gingen in der Verfolgung erneut leer aus. Trotz der guten Platzierungen von Franziska Preuß als Fünfte, der fehlerfrei schießenden und entsprechend glücklichen Vanessa Hinz auf Rang sechs - und der weniger erfreuten Denise Herrmann, die mit zwei Fehlern beim letzten Schießen eine mögliche Medaille vergab.
Nach fünf von zwölf Entscheidungen bei den Titelkämpfen auf der Pokljuka wartet der DSV damit weiterhin auf das erste Edelmetall. »Bis zum letzten Schießen hatte ich es in der Hand, hab‘ dann aber ein bisschen die Nerven verloren«, seufzte Herrmann, die überraschenderweise vor allem auf der Strecke zu kämpfen hatte. »Da war ich angeknockt, das ärgert mich extrem«, sagte die frühere Langläuferin, die am Samstag als Sprint-Vierte die ersehnte Medaille um acht Sekunden verpasst hatte - und mit der besten Ausgangsposition unter den DSV-Skijägerinnen ins Jagdrennen gegangen war.
Die nächste Gelegenheit, in den Medaillenspiegel zu rutschen, bietet sich dem DSV beim Frauen-Einzel am Dienstag. Wieder mit am Start ist dann auch Denise Herrmann. Bis zu den Olympischen Spielen im nächsten Jahr will die Wahl-Ruhpoldingerin auf jeden Fall weitermachen, auch die Heim-WM 2023 ist für sie noch eine Option. Das macht die 32-Jährige, die nach ihrer Sportlerinnenkarriere gerne Kinder haben möchte, nicht zuletzt von ihrer körperlichen Verfassung abhängig.
Absehbar ist auf jeden Fall, dass nach dem kürzlich zurückgetretenen Simon Schempp (32) in den nächsten ein, zwei Jahren mit Arnd Peiffer (33) und Erik Lesser (32) wohl zwei weitere Erfolgsgaranten der zurückliegenden Dekade von der Biathlonbühne abtreten werden. Bleibt als Letzter im Bunde der großen Vier Benedikt Doll, der gegenüber »nd« betont: »Eine Heim-WM erleben zu dürfen, wäre schon was Tolles. Darauf freue ich mich fast noch mehr als auf Olympia in Peking - und bis dahin möchte ich schon noch aktiv bleiben.« Doch was danach kommt, ist offen. Vor allem bei den Männern, bei denen sich Peiffer (von Platz 36 auf 20), Doll (39 auf 31) und Johannes Kühn (45 auf 41) nach dem Sprintdesaster vom Freitag in der Verfolgung allesamt verbesserten.
Nachrückende Athleten wie Kühn oder Roman Rees konnten in der jüngeren Vergangenheit zwar vereinzelt Spitzenresultate vorlegen. Im Großen und Ganzen waren ihre Leistungen aber zu schwankend, zudem zählen die beiden aktuellen WM-Teilnehmer mit ihren 29 und 27 Jahren auch nicht mehr zu den Jüngsten.
Dass es in seinem Verband definitiv zu lange dauert, bis sich Junioren zu Spitzenläufern im Weltcup entwickeln, hat Bernd Eisenbichler längst erkannt. »Das machen andere Nationen schneller«, weiß der Sportchef der deutschen Biathleten, der sieht, wie beispielsweise der Norweger Sturla Holm Lägreid (23) in diesem Winter aus dem Nichts in die Weltspitze geschossen ist - oder wie der 25-jährige Schwede Martin Ponsiluoma gerade WM-Gold im Sprint holte. Auch der Franzose Emilien Jacquelin, der am Sonntag seinen Titel in der Verfolgung verteidigte, ist erst 25. Der zweitplatzierte Schwede Sebastian Samuelsson sogar erst 23.
Erste Maßnahmen, um die entstandene Lücke zu Top-Nationen wie Norwegen, Frankreich und Schweden wieder zu schließen, hat der DSV bereits ergriffen: Mit Zibi Szlufcik wurde die Stelle des Nachwuchs-Cheftrainers vor eineinhalb Jahren neu besetzt - und darüber hinaus der Perspektivkader verjüngt. Im IBU-Cup, der zweiten Skijäger-Liga, sollen in Zukunft verstärkt die 20- bis 24-Jährigen zum Einsatz kommen, um sie früher als bislang international konkurrenzfähig zu machen. Zudem bemüht sich der DSV, ehemalige Spitzenkräfte wie Schempp oder Laura Dahlmeier für die Nachwuchsarbeit zu gewinnen.
Einen Job als Trainer im Biathlon-Sport hat Erik Lesser bereits ins Auge gefasst. Vor der WM in Pokljuka, die für ihn bislang extrem enttäuschend verlief, legte der meinungsfreudige Thüringer den Finger bereits tief in die Wunde, als er die extreme Dominanz der Norweger im vorolympischen Winter damit erklärte, die Skandinavier arbeiteten eben »in allen Facetten besser«. Vor allem beim Übergang von den Junioren zu den Männern sieht der Verfolgungsweltmeister von 2015 bislang noch unerkannte Defizite.
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