Das Wunder von Barcelona
Wie einst im März 2017: Barça empfängt Paris St. Germain
Neymar da Silva Santos Júnior hat leider abgesagt. Kleine Unpässlichkeit in den Adduktoren, Erinnerung an ein Pokalspiel in der Provinz. Paris Saint-Germain wird erst einmal ohne seinen teuersten, schillerndsten und umstrittensten Angestellten auskommen müssen - wahrscheinlich für ein paar Wochen und ganz bestimmt an diesem Dienstag, wenn der große europäische Fußballzirkus seinen Betrieb wieder aufnimmt. Im Achtelfinale der Champions League steht das Duell zwischen dem FC Barcelona und Paris Saint-Germain an, und es ist schon ein bisschen schade, dass der brasilianische Zappelphilipp mit den zauberhaften Füßen nicht dabei sein kann. Neymar, PSG und Barça? Da war doch was!
Vor bald vier Jahren haben sich die Champions aus Frankreich und Spanien schon einmal in der Runde der letzten 16 duelliert. Neymar hat damals noch für Barcelona gespielt und eine ganz besondere Rolle in einem Spektakel, wie es die Champions League auf diesem Niveau noch nicht erlebt hatte. Spanien im Allgemeinen und Katalonien im Besonderen feierte nicht weniger als ein Wunder, umschrieben mit dem eher unscheinbaren Wörtchen »Remontada«, was so viel wie »Aufholjagd« bedeutet und kaum dem gerecht wurde, was sich am 8. März 2017 in Barcelona ereignet hatte.
Wenig sprach damals für einen aufregenden Abend. PSG, dieses mit arabischen Petrodollars zusammengekaufte Konstrukt, hatte das Hinspiel im Prinzenpark mit 4:0 für sich entschieden. Paris freute sich über eine magische Nacht, über die Geburt einer großen Mannschaft, die endlich ihren Patz gefunden haben sollte im Establishment der mit Patina gesegneten Granden aus Mailand, Madrid, München, Manchester. Eine ganze Stadt stimmte sich ein auf einen besseren Betriebsausflug zum Rückspiel nach Barcelona. Barças Trainer Luis Enrique wirkte unfreiwillig komisch mit seinem Satz: »Wenn Paris im Hinspiel vier Tore geschossen hat, können wir im Rückspiel genauso gut sechs schießen.«
Zwar schaffte Luis Suárez schnell ein erstes Tor. Kurz vor der Pause bolz-te der französische Verteidiger Layvin Kurzawa den Ball zum 0:2 ins eigene Tor. Und nach einem ersten, sehr zweifelhaften Elfmeter, verwandelt von Lionel Messi, war die Remontada nur noch ein Tor entfernt. Doch Edinson Cavani verkürzte für Paris auf 1:3. Und weil nicht mal mehr eine halbe Stunde zu spielen war, machten sich die ersten Barça-Fans auf den Heimweg.
Dann aber kam Neymar: erst mit einem wunderbaren Freistoß, den er aus halblinker Position ins linke obere Eck zwirbelte. Zwei Minuten vor Schluss. Beim zweiten, noch viel zweifelhafteren Elfmeter, sprang er für den ängstlichen Messi ein. Mit seinem zuletzt so oft kopierten Nähmaschinen-Stakkato lief der Brasilianer an und schoss diesmal nach rechts - 5:1. Jetzt fehlte nur noch ein Tor, aber die reguläre Spielzeit war ja auch schon beendet.
Noch mal fünf Minuten drauf, noch mal Neymar. In den finalen Sekunden der Nachspielzeit spielte er Schicksal: mit einem gechippten Ball über die Pariser Abwehr auf Sergi Roberto, der einfach den Fuß hinhielt. Und da hatte Luis Enrique plötzlich sein sechstes Tor. Ein paar Sekunden später war Schluss. Barcelona feierte die Remontada, Paris erlitt eine Demütigung, der die geldgebenden Scheichs mit der einzig ihnen logisch erscheinenden Maßnahme begegneten. Sie überschütteten den Übeltäter mit ihren Petrodollars und holten ihn nach Paris.
Ein halbes Jahr später wechselte Neymar da Silva Santos Júnior für 222 Millionen Euro von Barcelona nach Paris. Ein in jeder Hinsicht irrwitziger Transfer, der sinnbildlich für die Absurdität des Fußballgeschäfts steht. Auch wenn Neymar PSG zuletzt bis ins Finale der Champions League gegen die Bayern geführt hat - den Traum der katarischen Scheichs vom Titel konnte er bislang nicht verwirklichen.
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