Geheimsache U-Bahn-Planungen

Fahrgastverband IGEB kritisiert mangelnde Beteiligungskultur der Verkehrsverwaltung

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 5 Min.

An diesem Dienstag soll sich der Senat gleich mehrfach dem umstrittenen Thema Verkehr widmen. Zum einen legt Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) den bereits jahrelang überfälligen Stadtentwicklungsplan (Step) Mobilität und Verkehr vor, zum anderen sollen die, auch bereits seit über einem Jahr erwarteten, Ergebnisse der Machbarkeitsstudien zu U-Bahn-Verlängerungen vorgestellt und über die Schlüsse daraus berichtet werden.

Das Ergebnis der U-Bahn-Studie: Eine Verlängerung der U7 an beiden Enden soll nun vertieft untersucht werden. In Spandau vom Rathaus um rund 4,3 Kilometer mit fünf neuen Bahnhöfen bis zur Heerstraße, geschätzte Kosten: 578 Millionen Euro. Im Südosten um satte 8,6 Kilometer von Rudow über den alten Bahnhof Schönefeld zum Flughafen BER. Etwas über 700 Millionen Euro sind die erwarteten Gesamtbaukosten für diesen Abschnitt, mit sieben neuen Stationen . Für den rund 1,7 Kilometer langen Berliner Teil der Strecke mit einem neuen Bahnhof würden demnach 156 Millionen Euro fällig. Für den Rest müssten sich die Gemeinde Schönefeld, der Landkreis Dahme-Spreewald und das Land Brandenburg über die Finanzierung von Bau und Betrieb verständigen. »Da müssen ganz schnell Gespräche aufgenommen werden«, fordert Tino Schopf, Verkehrsexperte der SPD im Abgeordnetenhaus, von Senatorin Günther. Er verlangt auch eine »ganz klare Terminleiste« für die nächsten Schritte bei beiden Projekten hin zur Realisierung.

Vorerst nicht weiterverfolgt werden sollen Verlängerungen der U8 ins Märkische Viertel sowie ein Abzweig von der U6 zur Urban Tech Republic auf dem ehemaligen Flughafen Tegel. Für den Berliner Fahrgastverband IGEB ist das die einzige »gute Nachricht«. »Dass diese Projekte teuer sind und den Fahrgästen wenig nutzen, wussten viele Fachleute schon vorher«, sagt der Verbandsvorsitzende Christfried Tschepe. Die »schlechte Nachricht« jedoch sei aus IGEB-Sicht, dass weiterhin die Verlängerungen der U7 untersucht werden sollen. »Beide Projekte erfordern sehr viel Geld, einen sehr langen Realisierungszeitraum und nützen nur einer begrenzten Zahl von Fahrgästen«, heißt es. Es fange schon damit an, dass die Kostenschätzungen »unseriös« niedrig angesetzt seien. Realistisch seien 150 bis 200 Millionen Euro pro Kilometer.

»Ein Spandauer Straßenbahnnetz kann die vielfältigen Verkehrsbeziehungen innerhalb von Spandau sehr viel besser bedienen«, sagen die Fahrgastvertreter. Rund 30 Kilometer Tram-Neubaustrecke ließen sich für die geschätzten Kosten von etwas über vier Kilometern U-Bahn realisieren. Auch bei der erwarteten Fahrgastnachfrage für die Strecke zur Heerstraße von bis zu 40 000 Menschen pro Tag scheint die Straßenbahn angemessen. So viele Passagiere wurden vor Corona auf der Hauptbahnhof-Anbindung transportiert - ohne heillos überfüllte Bahnen. Zumal der Busverkehr in der Folge deutlich ausgedünnt werden dürfte. »Das Busnetz wird radikal beschnitten werden«, so IGEB-Sprecher Jens Wieseke. »Senatorin Regine Günther lenkt mit diesen U-Bahn-Studien von ihrem verkehrspolitischen Versagen ab.«

»Es wird bereits deutlich, dass sich keine der genannten Strecken aufdrängt, das Gegenteil ist eher der Fall«, sagt Linke-Verkehrspolitiker Kristian Ronneburg zu »nd«. Generell bestehe das Problem, dass die Verkehrsverwaltung seit Beginn dieser Legislatur nur ankündige und nicht liefere. »Alle beschlossenen Pläne für den Ausbau der Straßenbahn kommen in der praktischen Umsetzung kaum voran. Und jetzt sollen noch weitere Planerstellen eingerichtet werden für die U-Bahn, wo die Verwaltung bei der Besetzung der Stellen für die Straßenbahn schon nicht hinterherkommt«, so Ronneburg weiter. Er befürchtet, dass »im schlimmsten Fall Planer bei der Straßenbahn abgezogen werden - dann wird der komplette Stillstand folgen«.

»Mit den begrenzten personellen und finanziellen Möglichkeiten ist eine zügige Verbesserung des Angebotes nur durch Streckenneubau und Streckenausbau vor allem bei der Straßenbahn sowie bei S-Bahn- und Regionalzugverkehr zu erreichen«, erklärt IGEB-Sprecher Wieseke. Die U-Bahn-Verlängerungen dürften frühestens Mitte der 2030er Jahre in Betrieb gehen.

»Ein besonderer Hohn ist das Beteiligungsversprechen«, so IGEB-Chef Christfried Tschepe. Seit einem Jahr verspreche Verkehrssenatorin Günther, die U-Bahn-Machbarkeitsstudien der Öffentlichkeit zu präsentieren. Stattdessen sollten sie nun ohne öffentliche Diskussion Grundlage für einen Senatsbeschluss werden. »Auch der Beteiligungsprozess zum neuen Step Mobilität und Verkehr wurde am 1. Juni 2018 ohne Begründung abgebrochen - in einer Phase, als die Diskussion von U-Bahn-Verlängerungen beginnen sollte«, so Tschepe weiter.

»Für eine grüne Verkehrssenatorin ist das natürlich schon ein bisschen peinlich«, sagt Martin Schlegel zu »nd«. Er ist Verkehrsexperte beim Umweltverband BUND Berlin. Die Verkehrsverwaltung widerspricht. »Die Machbarkeitsuntersuchungen werden im Senat beraten und dann in der Öffentlichkeit kommuniziert. Nichts anderes war angekündigt«, sagt Sprecher Jan Thomsen. Auch sei der Prozess zum Step Mobilität »planmäßig abgeschlossen« worden. »Richtig ist lediglich, dass es den Wunsch nach weiteren außerplanmäßigen Sitzungen gab.«

Ambitioniertere Ziele hätte sich Martin Schlegel auch beim Step Mobilität gewünscht. Bis 2030 soll demnach der Anteil des motorisierten Individualverkehrs auf 18 Prozent sinken, 2018 lag er bei 26 Prozent. Vor allem sollen die CO2-Emissionen des Verkehrssektors bis 2030 deutlich sinken, um 42 Prozent gegenüber dem Stand von 1990. Bisher sind beim Verkehr als einzigem Sektor die Emissionen in den letzten Jahrzehnten munter gestiegen. Erst kürzlich hatten BUND, der Verkehrsclub VCD, IGEB und Mitglieder der Grünen eine Studie vorgestellt, die den diskutierten U-Bahn-Verlängerungen eine schlechte Klimabilanz attestierte.

Auch bei der IGEB relativ unstrittig ist eine mögliche Verlängerung der U3 um rund 700 Meter von der Krummen Lanke zum S-Bahnhof Mexikoplatz. Der Wendetunnel am Streckenende muss sowieso erneuert werden. Hier laufen die Untersuchungen aber noch.

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