Frankreich sucht nach Alliierten

Präsident Macron will auf dem Sahelzonen-Gipfel ein breiteres Kriegsbündnis gegen Dschihadisten schmieden

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Präsidenten von Mali, Niger, Mauretanien, Burkina Faso und Tschad kamen am Montag und Dienstag in dessen Hauptstadt N’Djaména zusammen, während Emmanuel Macron coronabedingt per Internet zugeschaltet war. Auf dem letzten Gipfel vor einem Jahr im südfranzösischen Pau war beschlossen worden, den militärischen Druck auf die Dschihadisten zu verstärken. Dafür hat Frankreich sein Kontingent an der Aktion Barkhane vorübergehend um 600 auf 5 100 Soldaten aufgestockt. Seitdem wurden mehrere militärische Erfolge erzielt und Hunderte Dschihadisten sowie einige ihrer Anführer unschädlich gemacht. Doch eine echte Wende konnte bisher nicht erreicht werden.

Die Last für Frankreich wird immer größer, denn Jahr für Jahr müssen fast eine Milliarde Euro aufgewendet werden und seit Beginn des militärischen Engagements 2012 sind bereits mehr als 50 Franzosen gefallen. »Man hat den Eindruck, dass für jeden getöteten Dschihad-Kämpfer gleich mehrere neue an seine Stelle treten«, sagt der ehemalige Offizier Louis Saillans. »Allein mit militärischen Mitteln sind die nicht zu schlagen. Das muss durch Angebote für politische Alternativen begleitet werden.«

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In der französischen Öffentlichkeit hat man mehr und mehr den Eindruck, dass sich der Krieg in der Wüste festgefahren hat und nicht zu gewinnen ist. Diese Stimmung könnte sich auf Macrons Chancen auf eine Wiederwahl im nächsten Jahr auswirken. Vorläufig sucht der Präsident mit nach wie vor großem Einsatz nach Möglichkeiten, einerseits die Lasten international auf mehrere Schultern zu verteilen und andererseits den Krieg in der Sahelzone durch Maßnahmen zur politischen Stärkung der betroffenen afrikanischen Länder zu ergänzen.

Mit der Suche nach neuen Partnern hatte Macron bisher wenig Erfolg. Deutschland will sich nach wie vor nicht engagieren und beteiligt sich nur mit rund 1500 Soldaten an Ausbildungsmissionen der EU und der UN in Mali und im Niger. Das vor einem Jahr versprochene militärische Engagement der Niederlande, Belgiens und Portugals lässt weiter auf sich warten und nur Tschechien, Estland und Schweden bereiten die Entsendung kleinerer Militäreinheiten vor. Größere Hoffnungen zumindest auf politische und materielle Unterstützung setzt Macron nun in die USA. Denn während Donald Trump jegliches Mitwirken aufgekündigt hatte, hat sein Nachfolger Joe Biden eine Rückkehr der USA in die Region angekündigt.

Doch trotz des Drucks, unter dem Macron innenpolitisch steht, hat er auf dem Gipfel keine Einschränkung des militärischen Engagements Frankreichs angekündigt. Er rief im Gegenteil dazu auf, »dieser Hydra den Kopf abzuschlagen«, indem gezielt Jagd auf die Führer der Dschihadisten gemacht wird. Das war ein deutliches Signal an die Adresse der afrikanischen Politiker, die mit den Dschihadisten verhandeln wollen.

Richtete sich der Fokus des Gipfels von Pau vor einem Jahr auf den militärischen Kampf, so lag jetzt in N’Djaména das Schwergewicht auf politischen, wirtschaftlichen und sozialen Maßnahmen. Solche dürften letztlich kriegsentscheidend sein. In diesem Sinne sagte auch der Gastgeber des Gipfels, der Präsident des Tschad Idriss Déby, dass »die wirtschaftliche Lage der Länder der Region völlig unzureichend« ist und dass »die Entwicklungshilfe bisher daran nichts geändert hat«.

Beobachtern zufolge ist das Problem, dass die fünf Länder der Sahelzone mit ihren labilen politischen Systemen und schwachen administrativen Strukturen ein Erbe des Kolonialismus sind und auch 60 Jahre nach Erlangung der Unabhängigkeit immer noch nicht stabil auf eigenen Beinen stehen. Daran hat die ehemalige Kolonialmacht Frankreich große Mitschuld, deren Interesse in all diesen Jahren eher der Nutzung der dortigen Bodenschätze galt. Wenn ein großer Teil der dafür gezahlten Millionen und der Entwicklungshilfegelder in den Taschen korrupter afrikanischer Politiker landete, sah man darüber hinweg, wenn sie nur frankreichhörig waren. »Diese Staaten sind die schwächsten Glieder in der Front des Krieges gegen die Dschihadisten«, ist der Afrika-Experte Vincent Hugeux überzeugt. »Wenn auf jeden militärischen Erfolg vor Ort nicht die Rückkehr des Staates mit seinen Sicherheitskräften, seinen Beamten, seinen Schulen, Krankenhäusern und anderen sozialen Infrastrukturen folgt, war alles umsonst und die Dschihadisten werden auf lange Sicht die Oberhand behalten.«

Hinzu kommt, dass es in diesen Ländern keine einheitliche Front des Abwehrkampfes gibt, sondern dass oft aus innenpolitischem Kalkül Konflikte unter einzelnen Stämmen angeheizt werden. In Mali misstrauen die Regierungspolitiker der Bevölkerungsminderheit der Tuareg im Norden wegen deren Autonomiebestrebungen und diskriminieren sie. »Das führt dazu, dass die Dschihadisten hier Nachwuchs rekrutieren können und dass die Dorfbewohner oft mehr Angst vor der Regierung und deren Soldaten oder Polizisten haben als vor den Terroristen«, meint der ehemalige Offizier der französischen Barkhane-Truppen François Louvailles.

Unter der Zivilbevölkerung fordert der Krieg mit den Dschihadisten die größten Opfer. Während in den zurückliegenden acht Jahren mehrere hundert Soldaten gefallen sind, mussten viele Tausend Zivilisten ihr Leben lassen und nach UN-Angaben wurden in der Region mehr als zwei Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben.

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