Keine Zukunft für Schönefeld-Alt

Wegen Corona schließt das BER-Terminal 5, der frühere DDR-Flughafen.

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.

In Schönefeld (Dahme-Spreewald) endet dieser Tage ein Kapitel Berliner Luftfahrtgeschichte. Wie die Fortsetzung aussehen wird, ist noch nicht ausgemacht. Vermutlich war der Flughafen Berlin-Schönefeld für DDR-Bürger ein Sehnsuchtsort. Gefremdelt mit ihm haben viele wohl auch. Denn zwar sind die Leute auch im Osten für ihr Leben gern gereist. Aber mit einem Flugzeug? Und galt schon dies für die meisten Werktätigen als etwas Besonderes, so waren exotische Fernziele jenseits der Grenzen der sozialistischen Welt bis 1990 schlicht als unerreichbar. Und das, obwohl auch die rot-weißen Passagiermaschinen der DDR-Linie Interflug bis zu 53 Destinationen auf vier Kontinenten von Berlin aus ansteuerten.

31 Jahre später verwehrt eine tödliche Virusinfektion weltweit das unbeschwerte Reisen. Und in Berlin-Schönefeld gehen die Lichter aus. Am 23. Februar schließt der einstige DDR-Flughafen, der - aufwendig modernisiert - erst seit knapp vier Monaten »BER Terminal 5« heißt. Seine Abfertigungskapazität von sieben Millionen Fluggästen wird nicht benötigt. Die letzte Landung erfolgt nun am Montag 11.50 Uhr. Befristet für ein Jahr werde er stillgelegt, sagt die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB). Zunächst.

»Wir nehmen das Terminal 5 vom Netz, wir schließen es nicht«, stellt Andreas Deckert, der für den Flugbetrieb am BER zuständige Bereichsleiter Aviation, klar. »Das Unternehmen spart dadurch 25 Millionen Euro im Jahr, und um alles wieder hochzufahren, würden wir vielleicht etwas mehr als drei Tage brauchen.« Dass der alte Airport nach dem Ende der Coronakrise tatsächlich wiederbelebt und erneut ans Netz gehen könnte - daran scheint er aber selbst nicht recht zu glauben. Zu schlecht geht es der internationalen Luftfahrtbranche, und eine echte Erholung des Flugverkehrs ist für 2021 bislang nicht in Sicht. Am Vortag habe es am neuen Hauptstadtflughafen ganze 100 Flugbewegungen gegeben, darunter etliche Geschäftsflieger. 3000 Passagiere seien abgefertigt worden. Die Anzeige in der leeren Halle L des Terminals 5 wies aktuell für diesen Tag zwei Ryanair-Flüge aus - von und nach Bergamo in Italien - sowie einen Leerflug im Inland.

Deckert hat nach dem Studium an der Verkehrshochschule in Dresden 1986 am Flughafen Schönefeld angefangen, sein ganzes Berufsleben hier verbracht. »Ich kann, ehrlich gesagt, trotzdem nicht viel mit der Nostalgie anfangen, die viele mit Schönefeld verbinden«, sagt der 59-Jährige. »Wir haben mit dem BER jetzt einen viel besseren, modernen Flughafen.« Zudem der mit der Inbetriebnah᠆me im Herbst aufgenommene Doppelbetrieb an den zwei räumlich getrennten Standorten schon extrem aufwendig für Fluggesellschaften und Dienstleister sei. Auch für Passagiere, die zum Beispiel am Terminal 5 ankommen und einen Anschlussflug am Terminal 1 erreichen müssen, sei das nicht optimal.

Aber unterwegs durch den zum Großteil bereits stillgelegten Gebäudekomplex lässt ihn die Leere dann doch nicht unberührt. Terminal K, gut ein Jahr lang exklusiv von Easyjet genutzt und mit modernsten Self-Service-Automaten für die Gepäckabfertigung ausgestattet, ist seit Tagen geschlossen. Die Airline ist, wie die meisten der insgesamt 17 ursprünglich am T5 stationierten Gesellschaften, schon zum Hauptterminal 1 umgezogen. Auch alle Läden und Serviceeinrichtungen sind raus. Am Ende blieben im Gebäude nur die Bundespolizei, private Sicherheitsleute und ein kleines Übersetzerbüro. Im Leichtbauterminal K ist zudem ein Corona-Impfzentrum eingerichtet worden, das für eine Tageskapazität von 3000 Impflingen ausgelegt ist, aber derzeit noch kaum genutzt wird.

Nur scheinbar verlassen, aber jederzeit im Standby ist das alte einstige Airport Control Center SXF (ACC), das neue steht bei Selchow am anderen Ende des BER. »Das ACC ist das Herz des Flughafens, es steuert den kompletten Betrieb«, sagt Deckert. Die Computersysteme im T5 laufen als Backup für den Katastrophenfall rund um die Uhr im Hintergrund mit und werden wöchentlich zur Kontrolle hochgefahren. Hier habe er 1986 als operativer Abfertigungsplaner angefangen zu arbeiten, berichtet der Bereichsleiter.

Schönefeld, seit 1955 DDR-Flughafen, sei stets zu klein für das Passagieraufkommen, eng und unkomfortabel gewesen. Die Fluggastzahl erreichte 1969 eine Million und stieg stetig. 1976 lag sie bei 1,6 Millionen, wuchs bis 1983 auf 2,3 Millionen und 1989 auf drei Millionen. Erst kurz vor seiner Zeit hatte man die Kapazität der 1976 eingeweihten und damals schon ausgelasteten »Neuen Passagierabfertigung« durch einen Erweiterungsbau ergänzen müssen. »Dafür wurde damals ein Kaufhallengebäude umgebaut«, sagt Deckert. Darüber seien dann die Transitpassagiere von und nach Westberlin abgefertigt worden, mit denen die DDR wertvolle Devisen einnahm.

Am 25. Oktober 2020 hatte Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup dem »runderneuerten Flughafen Schönefeld« eine Zukunft als zentraler Bestandteil des BER vorausgesagt. Daraus wird sobald nichts. Langfristig wird Terminal 5 dem geplanten Regierungsflughafen weichen müssen - der Bund plant dessen Inbetriebnahme weiterhin 2035.

»Wir wünschen uns am neuen Hauptstadtflughafen möglichst bald 1000 Flugbewegungen und 100 000 Fluggäste am Tag, damit wir zeigen können, wozu wir imstande sind«, sagt der Leiter Aviation. Die Zeit von Schönefeld-Alt scheint vorbei zu sein.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -