Lernen die Demokraten aus den Fehlern von Obama?

Vor allem Parteilinke, aber auch einige Berater von Joe Biden wollen die Coronakrise in den USA mit klar sichtbarer Sozialpolitik bekämpfen

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Vielleicht wiederholt sich bei dem Vorgehen gegen die Coronakrise in den USA die Geschichte nicht. Vielleicht haben die Demokraten gelernt aus dem, was in den Jahren 2009 und 2010 passierte. Wie damals steckt das Land in einer Wirtschaftskrise, wie damals haben die Demokraten gerade eine Mehrheit in beiden Parlamentskammern übernommen. Doch dieses Mal will man »keine Zeit vergeuden in fruchtlosen Beratungen mit den Republikanern«, wie es aus dem Weißen Haus heißt. 2008 gewannen die Demokraten im Windschatten von Barack Obama noch 21 Sitze hinzu, hatten damit eine 39-Sitze-Mehrheit im Repräsentantenhaus und nach dem Zugewinn von acht Mandaten auch eine Mehrheit von sieben Sitzen im Senat - eigentlich ein klares Mandat.

Doch Obama verbrachte 2009 auf der Jagd nach überparteilicher Zustimmung neun Monate in Verhandlungen mit den Senatoren der Republikaner über sein Hilfspaket gegen die Finanzkrise. Immer wieder machte er Zugeständnisse, verwässerte neue politische Regulierung - deren Notwendigkeit die Finanzkrise gerade gezeigt hatte - in der Erwartung, von den Politikern der Grand Old Party dafür belohnt zu werden.

Am Ende stimmt kein einziger Republikaner für Obamas 840-Millionen-Dollar-Hilfspaket. Amerikas erster schwarzer Präsident hatte übersehen, oder wollte nicht wahrhaben, dass sich die Republikaner auf Totalblockade als Polittaktik festgelegt hatten. Gleichzeitig hatte Obama so sehr auf seine neoliberalen Berater gehört, dass sein Paket nicht stark genug war, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Der Arbeitsmarkt in den USA brauchte Jahre, um die Krisenverluste wieder auszugleichen. Mit entschlossener Hilfspolitik wäre das vermutlich zu verhindern gewesen.

Doch auch politisch konnte der US-Präsident nicht profitieren, weil kaum jemand in den USA mitbekam, dass Obama der Bevölkerung mit Hilfszahlungen geholfen hatte, denn die Politstrategen hatten diese - ganz der wirtschaftsliberalen »schlanker-Staat«-Logik folgend - in Form von Steuererleichterungen versteckt, die beim Einreichen der jährlichen Bescheide zurückerstattet wurden. Obamas Krisenpolitik folgte einem systemischen Ansatz, doch das war schlechte Politik: Nicht nur weil kein einziger Banker wegen Vergehen persönlich zur Rechenschaft gezogen wurde, sondern auch, weil die Bevölkerung nicht erkannte, dass ihr geholfen worden war, wie Umfragen zeigten. Die Konsequenz: Zwei Jahre später verloren die Demokraten bei den Zwischenwahlen 2010 die Rekordzahl von 63 Sitzen im Repräsentantenhaus und damit ihre Mehrheit, weil sie der republikanischen Mobilisierung weißer rassistischer Wut über Obama keine positive Erzählung entgegensetzen konnten.

2021 hat die Partei Bidens deutlich weniger Raum für Fehler. Im Repräsentantenhaus haben die Demokraten wegen Vakanzen aktuell nur eine Mehrheit von nur drei Sitzen, im US-Senat steht es 51 zu 50, wenn Vizepräsidentin Kamala Harris mit abstimmt. Die Parteilinke argumentiert mit Blick auf die Zwischenwahlen 2022 für eine deutlich in der Bevölkerung erfahrbaren sozialstaatlichen Krisenpolitik bei »Brot-und-Butter«-Themen.

Von einer Mindestlohnerhöhung auf 15 Dollar etwa würden 27 Millionen US-Amerikaner profitieren. Wenn diese gekoppelt ist an einen Wirtschaftsboom nach einem Ende der Corona-Pandemie im Land Ende 2021 könne man im Folgejahr vielleicht sogar Sitze dazugewinnen, zumindest aber den sonst üblichen Effekt vermeiden, dass die regierende Partei eines neuen Präsidenten zwei Jahre später abgestraft wird, argumentieren progressive Demokraten. Populäre Sozialpolitik machen als reine Überlebensfrage also - zumindest was die Mehrheit und damit die Möglichkeit gesetzgeberischer Gestaltung angeht. Ob die Mindestlohnerhöhung kommt, wird zeigen, ob sich ein Ansatz relativen sozialpolitischen Progressivismus in der Biden-Regierung durchsetzt.

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