- Berlin
- Coronakrise
Berlin-Tourismus sackt auf Niveau von 2001
Statistik-Amt meldet für 2020 dramatischen Rückgang bei Besuchern und Übernachtungen
Der Ausbruch der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020 hat die gesamte Berliner Wirtschaft kalt erwischt. Dabei zählt der Berlin-Tourismus, zuvor durch fabelhafte Wachstumsraten verwöhnt, zu den besonders früh und nachhaltig betroffenen Branchen. Eindrucksvoll ablesbar ist das an den am Dienstag vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg veröffentlichten Zahlen zur Entwicklung der Branche.
Nach vorläufigen Berechnungen des Statistikamtes kamen im vergangenen Jahr rund 4,95 Millionen Gäste in die Hauptstadt. Damit sei die Zahl der Berlin-Besucher auf ein Niveau »wie zuletzt im Jahr 2001« gesunken. Im Vergleich zum Rekordjahr 2019, in dem sagenhafte 14 Millionen Touristen in die Stadt kamen, sei die Zahl der Besucher um fast 65 Prozent zurückgegangen. Die Übernachtungszahlen gingen von knapp 35 Millionen im Jahr 2019 auf 12,3 Millionen im ersten Corona-Jahr zurück. Betroffen seien alle Bezirke. Jedoch hätten die Betriebe der Innenstadtbezirke, allen voran die in Mitte, die schwersten Verluste zu verkraften, vor allem durch die Einschränkungen im Event- und Kongressbereich. »Absagen von Großveranstaltungen und vor allem das Verbot der Vermietung zu touristischen Zwecken für einen Zeitraum von fünf Monaten sorgten für starke Rückgänge im Berliner Beherbergungsgewerbe 2020«, teilte die Behörde mit. Dramatisch wirkt sich das Ausbleiben der Besucher aus dem Ausland aus. Die Zahl gerade der Gäste aus Großbritannien, den Niederlanden, den USA, Spanien und Italien sei um 76,5 Prozent – mehr als drei Viertel – auf 1,3 Millionen zurückgegangen. Deren Übernachtungen seien um 76 Prozent auf 3,7 Millionen gesunken, heißt es.
»Corona hat Tourismus, Gastronomie, Messen und Kongresse in Berlin stark mitgenommen und gleichzeitig gezeigt, wie wichtig die Branche für die Wirtschaft und die Kultur unserer Stadt ist«, teilte der Geschäftsführer der Tourismusgesellschaft Visit Berlin, Burkhard Kieker mit. »Wir rechnen mit Nachholeffekten für Berlin, wenn das Reisen wieder möglich ist. Diese Phase bereiten wir, gemeinsam mit dem Senat und der Branche, schon jetzt vor.«
Das versprach auch Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). Corona habe Tourismus und Kongresswirtschaft mit voller Wucht getroffen, sagte sie. »Wir haben schnell reagiert und mit einem Kraftakt verschiedene Förderinstrumente und Hilfsmaßnahmen die Branche unterstützt.«
Da aber sieht beispielsweise die Berliner FDP dringend Nachbesserungsbedarf. »Fehlende Perspektiven und undifferenzierte Maßnahmen führen aktuell zu einer Verschärfung der Situation zum Jahresstart 2021«, monierte Alexander Wieberneit, tourismuspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Durch die massiven Umsatzeinbrüche herrsche große Unsicherheit für über 200 000 Arbeitsplätze im Berliner Tourismus. Betroffen seien vor allem Hotels, Gastronomie, der Flughafen, die Eventbranche, Messehallen, Museen und Theater- und Musicalstätten sowie Stadtführer, Fahrradverleiher und große Teile des Einzelhandels.
Der Bilanz zufolge ging 2020 auch die Zahl der deutschen Berlin-Besucher um mehr als die Hälfte auf 3,66 Millionen zurück. Dass aber die Deutschen das Interesse an der Hauptstadt nicht verloren haben, belegt eine Studie des Deutschen Instituts für Tourismusforschung. Danach möchte jeder Dritte 2021 nach Berlin reisen. Die Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln, faire Stornierungsbedingungen sowie eine ehrliche Kommunikation der Unterkünfte und der Reisedestination vorausgesetzt.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.