• Politik
  • OB Bernd Wiegand in Halle

Impfdrängler vor dem Aus?

Stadträte wollen Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand die Dienstgeschäfte verbieten und regen eine Suspendierung durch das Landesverwaltungsamt an.

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 3 Min.

Detlef Wend wirkte gefrustet. Der Abgeordnete der Fraktion Mitbürger/Partei im Stadtrat Halle hatte bei der Sitzung am Mittwoch gerade eine Erklärung des Oberbürgermeisters Bernd Wiegand sowie diverse Nachfragen verschiedener Stadträte über sich ergehen lassen, da ergriff er selbst das Wort. Wend, der als einer der schärfsten Kritiker des Stadtoberhaupts gilt, seit sich dieser am 17. Januar vorzeitig impfen ließ, kam umgehend zum Grundsätzlichen: »Sie sind für diese Stadt nicht tragbar! Herr Oberbürgermeister, wann treten Sie zurück? Wir schämen uns alle für Sie!«

Das hat gesessen – denkt man. Doch Wiegand, der schon in den letzten Wochen jegliche Kritik an sich abprallen ließ, blieb auch diesmal bei seiner Auffassung, er habe nichts falsch gemacht. »Tja, Herr Wend, da muss ich Sie enttäuschen«, begann er und stellte klar: »Ich werde nicht zurücktreten, weil kein Verschulden vorliegt.«

Eine Szene, welche die politische Gemengelage in Halle ganz gut zusammenfasst. Auf der einen Seite: Ein Stadtrat, der Wiegand zu einem großen Teil lieber heute als morgen loswerden würde. Auf der anderen: Ein Oberbürgermeister, der sich nicht so einfach aus dem Amt heben lassen will. Vielmehr: Der sich daran klammert.

Zu Beginn der Sitzung am Mittwoch verlas die Stadtratsvorsitzende Katja Müller (Die Linke) eine gemeinsame Erklärung der Fraktionen Grüne, CDU, Linke, FDP und SPD sowie vier weiterer Stadträte, in der die Mandatsträger ihre Kritik an Wiegand erneuerten: Der Oberbürgermeister habe durch seinen »nicht erkennbaren Aufklärungswillen« sowie durch »immer neue Ungereimtheiten und Widersprüche« in seinen öffentlichen Statements entscheidend zur negativen Wahrnehmung der Stadt bei der Bewältigung des Impfskandals beigetragen. Die Abgeordneten regen eine Suspendierung des Oberbürgermeisters durch das Landesverwaltungsamt an.

Zuvor hatten bereits 29 der 56 Stadträte in einem Brief die Einberufung einer Sondersitzung gefordert, um Wiegand nach dem Beamtenstatusgesetz die Führung seiner Dienstgeschäfte sowie den Zutritt zu Diensträumen für maximal drei Monate zu verbieten. Die Sitzung, auf der ein entsprechender Beschluss gefasst werden soll, findet am 15. März statt.

Währenddessen laufen bereits Ermittlungen gegen den Oberbürgermeister: Das Landesverwaltungsamt hatte Disziplinarverfahren gegen Wiegand sowie die ebenfalls vorzeitig geimpften Landräte der Kreise Wittenberg und Saalekreis, Jürgen Dannenberg (Die Linke) und Hartmut Handschak (parteilos), eingeleitet. Zudem war am Montag die Staatsanwaltschaft angerückt, um verschiedene Diensträume der Stadt Halle zu durchsuchen und Beweismittel sicherzustellen. Der bislang nur in Teilen öffentlich bekannte Sachverhalt könne den Straftatbestand der veruntreuenden Unterschlagung erfüllen, ist in einer Pressemitteilung der Behörde zu lesen.

Bei der Stadtratssitzung am Mittwoch erklärte Wiegand nun, die Durchsuchungen seien unverhältnismäßig gewesen. Auf Nachfrage ergänzte er, dass Handtaschen ausgeschüttet und private Mobiltelefone ausgelesen worden seien. »Als Oberbürgermeister der Stadt stehe ich nunmehr seit zwei Wochen im Feuer der Debatte. Das halte ich aus. Aber was dabei völlig außen vor bleibt, ist die fachliche Auseinandersetzung, die eigentlich im ganzen Bundesgebiet geführt werden müsste. Nämlich, wohin mit den Impfstoffresten«, sagte er.

Wiegand hatte zuvor beteuert, nur deshalb geimpft worden zu sein, um den Verfall einer ansonsten ungenutzten Impfdose zu vermeiden. Aus diesem Grund hätten in Halle insgesamt 29 Personen aus dem Stadtrat und dem Katastrophenschutzstab ein vorzeitiges Impfangebot erhalten, sagte Wiegand und warf Landesgesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) vor, den Umgang mit Impfstoffresten bis heute nicht geregelt zu haben. Außerdem zog er einen Vergleich zur aktuellen Situation, in der viele Impfdosen des etwas weniger wirksamen Impfstoffes von Astrazeneca übrig bleiben. Allerdings: Als Wiegand geimpft wurde, war dieser Impfstoff noch gar nicht zugelassen.

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