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Bahnwerker erhöhen Druck im Tarifstreit
Mit einem Warnstreik bekräftigt auch die Belegschaft im Werk in Hennigsdorf die IG-Metall-Forderungen
Lodernde Feuertonnen vor den Werkstoren, Menschenketten, Autokorsos und Flugblattaktionen - im aktuellen Tarifkonflikt in der Metall- und Elektroindustrie stehen auch in Berlin-Brandenburg die Zeichen auf Sturm. Seit Wochenbeginn, pünktlich zum Ende der Friedenspflicht, erhöhte die IG Metall den Druck auf die Arbeitgeber, rollt eine Welle von Warnstreiks durchs Land. Seit diesem Donnerstag sind auch die Beschäftigten des bisherigen Bombardier-Bahnwerks in Hennigsdorf (Oberhavel), das erst im Februar vom französischen Schienenfahrzeughersteller Alstom übernommen wurde, im Arbeitskampfmodus.
Nach Informationen von Betriebsratschef Volkmar Pohl war die Belegschaft des traditionsreichen Unternehmens für den Morgen zu einem Warnstreik aufgerufen worden. Ungeachtet der Tatsache, dass derzeit auch zahlreiche Hennigsdorfer Metaller im Homeoffice befinden, rechnete Pohl am Vortag damit, dass sich zahlreiche Mitarbeiter an der Aktion vor dem Haupteingang des Werkes beteiligen. Nach Gewerkschaftsangaben sind von rund 2000 Mitarbeitern etwa 450 in der Produktion tätig. »Natürlich stehen wir in Hennigsdorf auch dafür auf der Straße, weil wir für den Erhalt unserer Arbeitsplätze an diesem Standort kämpfen«, sagte Pohl dem »nd«. Es gehe aber auch um die sichere Zukunft aller Alstom-Standorte. »Und wir demonstrieren dem Unternehmen, dass wir auch trotz Corona kampfbereit sind.« Der Warnstreik sei für die Hennigsdorfer Auftakt für weitere Aktionen, sollten die Forderungen der IG Metall in der gegenwärtigen Tarifrunde kein Gehör finden. »Es geht uns unter anderem um Beschäftigungssicherung, Ausbildung - also die Übernahme unserer Auszubildenden in Arbeit - und Arbeitszeit«, so der Betriebsratschef. Es sei nicht hinnehmbar, dass an manchen Standorten noch immer 38 Stunden pro Woche gearbeitet werden müsse, während es andernorts 35 seien. Wo das nicht schnell anzupassen sei, müsse das durch Zahlungen ausgeglichen werden.
Die IG Metall im Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen fordert für die insgesamt dort 290 000 Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie ein optional für eine Entgelterhöhung oder zur Beschäftigungssicherung einsetzbares Volumen von vier Prozent, sowie einen tariflichen Rahmen für betriebliche Zukunftstarifverträge. Außerdem fordert sie im Bezirk »ein tarifliches Angleichungsgeld, um endlich erste Schritte in der Angleichung Ost zu gehen«. Zudem soll die Übernahme der Auszubildenden sowie die Einbeziehung der dual Studierenden in den Tarifvertrag geregelt werden.
Die Arbeitgeber bestehen 2021 auf einer Nullrunde. Zuletzt hatten sie Mitte Februar ein Angebot vorgelegt, das laut dem Verband der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg (VME) »die Zahlung einer Mischung aus Einmalzahlung und Tabellenerhöhung ab 2022« ermögliche. Drei Verhandlungsrunden mit dem VME und seinem sächsischen Pendant VSME hatten aus Sicht der IG Metall zu keiner Annäherung geführt.
»Wir gehen in den Warnstreik in Hennigsdorf, weil unsere Forderungen in der Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie für diesen Standort wie die Faust aufs Auge passen«, sagte Stefanie Jahn, Bevollmächtigte der IG Metall für den Bereich Oranienburg-Potsdam. »Denn hier reden wir ja über die Zukunft, über Beschäftigungssicherung, die Angleichung der Ost-Gehälter und Arbeitszeitverkürzung.« Sie rechne im Werk in Hennigsdorf künftig mit einem Auslastungsproblem, zumal ein Auftrag für die Berliner Straßenbahn ins sächsische Bautzen weggegangen sei. Derzeit werde mit Škoda Transportation über eine Übernahme von Teilen des Hennigsdorfer Werkes verhandelt. »Von den neuen Eigentümern erwarten wir natürlich, dass sie die Beschäftigten übernehmen und auch die Tarifverträge und Mitbestimmung akzeptieren«, sagte Jahn dem »nd« und stellte klar: »Wir müssen zeitnah in Gespräche über die Beschäftigungssicherung sowie Perspektiven für alle Standorte des Unternehmens einsteigen. Wir kämpfen sowohl für die Hennigsdorfer als auch für das Große und Ganze.«
Zum Auftakt der Kampfaktionen in Brandenburg waren am Montag 300 Beschäftigte des Mercedes-Benz-Werks in Ludwigsfelde (Teltow-Fläming) in einen Warnstreik getreten. Für volle drei Stunden ließen sie die Produktionsbänder stillstehen. In der Nacht zum Dienstag legte beispielsweise die komplette Nachtschicht beim Ölpumpenhersteller Mahle in Wustermark (Havelland) für drei Stunden die Arbeit nieder. Hauptschwerpunkt am Mittwoch waren Unternehmen der Berliner Metall- und Elektroindustrie. Mit dabei waren dort am Morgen mehrere Unternehmen in Siemensstadt, darunter Siemens, BMW, BSH Hausgeräte und Fujitsu. In Brandenburg/Havel wollten die Beschäftigten von Heidelberger Druck am Nachmittag die Arbeit vorübergehend ruhen lassen.
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