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»Die Regierenden haben die Menschen im Stich gelassen«

David Schwarzendahl hofft auf den Einzug der Linken in den Mainzer Landtag und will zurück zur kämpferischen Politik für die Arbeiterklasse

  • Interview: Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 4 Min.

Die LINKE unternimmt jetzt den vierten Anlauf zum Einzug in den Mainzer Landtag. Woher nehmen Sie den Optimismus, dass es diesmal klappen könnte?

Steigende Mieten, gravierende Armut, mangelhafte Bildungspolitik und Klimanotstand: Die Lage in Rheinland-Pfalz ist dramatisch. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Die Koalition von SPD, Grünen und FDP hat das Land heruntergewirtschaftet. Es ist essenziell, den Landtag deutlich nach links zu rücken. Wir wollen all jenen eine Stimme geben, die seit Jahren überhört, vergessen und ignoriert werden.

David Schwarzendahl
Der gelernte Buchbinder ist Linke-Kreisvorsitzender und Mitglied im Stadtrat seiner Heimatstadt Frankenthal. Der 38-Jährige führt zusammen mit Melanie Wery-Sims die Kandidatenliste der rheinland-pfälzischen Linkspartei zur Landtagswahl an.
Hans-Gerd Öfinger sprach mit ihm über Wahlkampfthemen und Chancen der Partei.

Der Wahlkampf erscheint medial als Duell zwischen dem Spitzenpersonal von SPD und CDU. Wie verschaffen Sie sich bei den Massen Gehör?

Eigentlich ist mit Ausnahme der SPD-Kandidatin niemand aus den anderen Parteien bekannter als der andere. Der CDU-Spitzenkandidat wird vom Mainstream hofiert, doch im Landtag und auch im Frankenthaler Stadtrat fällt er nicht gerade durch besonderes Engagement auf. Wir versuchen uns neben Plakaten, Wurfsendungen und Ständen so weit wie möglich online in den Wahlkampf einzubringen. Bis jetzt klappt das ganz gut. Das Interesse wächst.

Was waren aus Ihrer Sicht die größten Sünden der Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen?

Die Unterfinanzierung der Kommunen im Land ist aus meiner Sicht fast kriminell. Elf der 20 am höchsten verschuldeten deutschen Städte liegen in Rheinland-Pfalz. Der Verwaltungsgerichtshof Koblenz hat dies bestätigt und eine Neuregelung der Kommunalfinanzen bis 2023 angeordnet. Vom Flughafen Hahn über den Nürburgring bis zur beschämenden rechtswidrigen Beförderungspraxis im Umweltministerium ist die Liste endlos. Die Regierenden haben die Menschen im Stich gelassen.

Wie nehmen Sie als Kommunalpolitiker die Rolle der Landesregierung wahr?

Manchmal legt sie ein nettes Förderprogramm auf und inszeniert sich als Wohltäterin, während die Kommunen Schwimmbäder, Büchereien und Jugendclubs schließen müssen. Über allem schwebt immer die Dienstaufsichtsbehörde, die den klammen Kommunen auch noch die letzte Luft zum Atmen nimmt. Die kommunale Selbstverwaltung ist vielfach nur noch ein trauriges Verwalten von Schuldenbergen. Von Gestaltungsmöglichkeiten kann keine Rede sein.

Als gelernter Buchbinder haben Sie einen guten Draht zur Arbeiterklasse. Warum machen bisher zu wenige Arbeiter ihr Kreuz bei der Linken?

Das hat verschiedene Gründe. Zum einen kommen immer weniger neue Mitglieder aus dem Arbeitermilieu. Das hat zur Folge, dass wir da auch wichtige Kontakte einbüßen. Viele Gewerkschafter*innen stehen uns nahe und sind auch Mitglieder. Aber obwohl wir in den Tarifauseinandersetzungen immer mit an vorderster Front stehen, werden wir nicht immer als Arbeiterpartei wahrgenommen.

Verbindende Klassenpolitik kam vielleicht etwas zu kurz. Der Versuch, überwiegend in urbanen studentischen Milieus zu mobilisieren, brachte nicht den gewünschten Erfolg. Nun gilt es, sich auf klassische, kämpferische Politik für die Menschen von nebenan zurückzubesinnen. In Rheinland-Pfalz liegt unser Fokus auf der Verbindung zwischen Stadt und Land und unserer kommunalen Verankerung, die wir in den letzten Jahren deutlich steigern konnten.

Wie wollen Sie mit Verkehrspolitik im Land punkten?

Etwa mit dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und besserer Taktung. Gerade zwischen Stadt und Land. Wir setzen auf ein 365-Euro-Ticket für alle, Ziel ist der Nulltarif. Straßen wollen wir erhalten, aber nicht weiter ausbauen. Wir brauchen nachhaltige Verkehrsstrukturen und autofreie Innenstädte.

Landespolitik ist vor allem auch Schulpolitik. Was liegt da im Argen?

Wer Schülerin oder Schüler in Rheinland-Pfalz ist, wird digital abgehängt und steckt in viel zu großen Klassenverbänden bei viel zu wenig Lehrkräften. Wir wollen eine Schule für alle. Das bietet die besten Chancen und verbindet. Bildung darf keine Frage des Geldbeutels der Eltern sein. Das dreigliedrige Schulsystem ist überholt. Alle Kinder sollen gemeinsam bis Klasse 10 lernen. Fahrten zu weiterführenden Schulen, Schulmaterialien und ein warmes Mittagessen müssen kostenlos sein.

Was haben Sie Menschen in kleineren Ortschaften anzubieten?

Die Mehrheit lebt in Rheinland-Pfalz auf dem Land. Umso erschreckender ist, dass die kommunale Infrastruktur verfällt. Die Zahl und Qualität der sozialen und kulturellen Angebote nimmt ab. Das Vereinsleben ist nicht ausreichend finanziert. Medizinische Versorgung ist Mangelware. Kommunale Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen geraten in Gefahr oder sind schon wegrationalisiert. Das wollen wir ändern, damit das Leben auf dem Land lebenswert bleibt.

Von Ramstein aus werden tödliche Drohnen gesteuert und in Büchel lagern die letzten US-Atombomben. Bürgermeister verteidigen die mit der Stationierung verbundenen Arbeitsplätze. Was für Alternativen bieten Sie an?

Drohnenmorde sind völkerrechtswidrige, »extralegale« Tötungen. Sie werden von Landes- und Bundesregierung geduldet. US-Atombomben sind sicherheitspolitisch nicht im Interesse der Bevölkerung. Das stärkste Argument gegen den Abzug ist immer die wirtschaftliche Abhängigkeit.

Aber hier geht es doch ganz klar um Blutgeld. Wir wollen ein Konversionsprogramm, das den Menschen Perspektiven nach einer Schließung von militärischen Standorten bietet. Dass es hier noch keinerlei Ansätze seitens der Landesregierung gibt, zeigt, wie abgewirtschaftet der Laden ist.

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