Einhundert zum Einhundertsten
In Portugal beging die Kommunistische Partei landesweit den 100. Jahrestag ihrer Gründung
Prinzipientreue, Verlässlichkeit und Disziplin sind Markenzeichen der Portugiesischen Kommunistischen Partei, die fast ein halbes Jahrhundert lang - von 1926 bis 1974 - zur Arbeit in der Illegalität gezwungen war. Unter dem langen Motto »100 Jahre, 100 Aktionen - Freiheit, Demokratie, Sozialismus - für Rechte, bessere Lebensbedingungen und sozialen Fortschritt. Gegen die Ausbeutung und die Verarmung« machte die älteste portugiesische Partei am Sonnabend den Auftakt zu einer Vielzahl an Veranstaltungen zum Jubiläum. Einige der Aktionen fanden vor Betrieben statt, wo auch während der Pandemie gearbeitet wird.
Die größten der 100 Aktionen an Dutzenden Orten auf dem Festland wie auf den Inseln sahen die nordportugiesische Metropole Porto und die Hauptstadt Lissabon. Wobei das derzeit relativ ist: Genau 100 Teilnehmer zählte die Demonstration, die unter Einhaltung der Regeln zum Infektionsschutz durch Lissabons Innenstadt zum Rossio-Platz zog, wo PCP-Generalsekretär Jerónimo de Sousa eine Ansprache hielt. Ursprünglich geplant war eine Kundgebung mit Tausenden Teilnehmern in der einstigen Stierkampfarena Campo Pequeno, einen traditionellen Veranstaltungsort der Linken, an dem 1974 das erste große PCP-Meeting nach dem Sturz des Faschismus am 25. April stattfand. Das Vorhaben hatte die Partei aufgrund der Covid-19-Pandemie abgesagt.
Die hundert jungen PCP-Demonstranten durch Lissabons Zentrum machten Station an Orten, die mit der Geschichte ihrer Partei in Verbindung stehen. Ihren Ausgang hatte sie am Arbeitsort des KP-Führers Bento Gonçalves, der 1942 als politischer Gefangener im Internierungslager Tarrafal auf den Kapverden der Folter erlag. Auf ihrem Weg lag auch die Rua da Madalena, wo am 6. März 1921 im Haus der Vereinigung der Büroangestellten die portugiesische Sektion der Komintern gegründet wurde. Ihre frühen Wurzeln führten besonders in das anarchosyndikalistische Spektrum. Die Partei entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten zu einer zentralen Kraft des Widerstands gegen den klerikal-faschistischen Estado Novo und den portugiesischen Kolonialismus, mit Rückhalt in der Industriearbeiterschaft und dem Landproletariat. Ihre Arbeit in den Streitkräften trug entscheidend zum Sturz der Diktatur bei.
Strategie und Charakter der PCP wurden stark von dem Politiker, Künstler und Intellektuellen Álvaro Cunhal geprägt, der von 1961 bis 1992 an ihrer Spitze stand. Nach dem Ende der Sowjetunion musste auch diese KP Federn lassen. Konkurrenz macht ihr mittlerweile der Linksblock BE. Ein Fossil sind Portugals Kommunisten längst nicht. Durchgängig im Parlament vertreten, sind sie eng mit der größten Gewerkschaft CGTP liiert. In der Coronakrise ist die PCP politisch nicht abgetaucht, als Verteidigerin demokratischer Rechte und als ein Motor des sozialen Protests präsent. 2020 führte sie - trotz des Geschreis der Medien - ihre legendäre »Festa do Avante!« in einem verkleinerten Umfang durch. Bei der 45. Ausgabe des Presse- und Volksfests der Jubilarin vom 3. bis 5. September können dann hoffentlich wieder Zehntausende auf dem parteieigenen Gelände bei Lissabon feiern, tanzen und debattieren.
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