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  • Bayern gegen Dortmund

Demonstration der Macht

Mit einem späten Sieg bezwingt München Dortmund im Spitzenspiel mit 4:2

  • Maik Rosner
  • Lesedauer: 5 Min.

Als es vollbracht war, ließ sich einige Erleichterung erkennen. An mehreren Stellen auf dem Platz umarmten sich nach dem Abpfiff die Spieler des FC Bayern durchaus innig, und auch an der Bank sah man Münchner, die sich gelöst abklatschten. Die Jubelgesten kamen an diesem Samstagabend nicht ritualisiert daher, sondern als Ausdruck eines späten Spannungsabfalls nach dem Klassiker gegen Borussia Dortmund. Denn dieser hatte einen hohen Unterhaltungswert besessen und war erst in der Schlussphase entschieden worden. Doch obwohl die Bayern mit ihrer anfälligen Defensive zunächst viel angeboten hatten, bestätigte das Spiel größtenteils jene klaren Kräfteverhältnisse, die in den Vorjahren in München deutlicher Eingang in den Ergebnissen gefunden hatten (5:1, 4:1, 6:0. 5:0, 4:0).

Nun folgte ein 4:2, durch das der Tabellenerste FC Bayern zehn Spieltage vorm Saisonende weiter zwei Punkte Vorsprung auf den Zweiten RB Leipzig hat. 16 Zähler sind es auf den Sechsten Dortmund, der vier Punkte Rückstand auf Platz vier aufweist. Der BVB muss um das Startrecht in der Champions League bangen muss, das so wichtig ist für Finanzen, Personalplanung und das Image.

Dabei war der BVB diesmal in München zunächst auf eine Überraschung zugesteuert. »Es fing gut an und hörte schlecht auf«, bilanzierte Dortmunds Trainer Edin Terzic. Denn durch Erling Haalands Saisontore Tore 18 und 19 (2. und 9. Minute) hatten die Münchner rasch 0:2 zurückgelegen. Doch Robert Lewandowski (26., 44./Foulelfmeter, 90.) sowie Leon Goretzka (88.) trafen danach, womit die Bayern in dieser Saison zum sechsten Mal ein Spiel drehten - Klubrekord. »Es war ein wirklich sensationelles Comeback von der gesamten Mannschaft«, sagte Trainer Hansi Flick, als er auf Lewandowskis Ligatore 29, 30 und 31 angesprochen wurde. Der Pole nimmt weiter Kurs auf Gerd Müllers 40-Tore-Rekord von 1971/72.

»Überragende 70 Minuten« hatte Flick von seiner Elf nach dem frühen Doppelschock gesehen. »Dann hat die Mannschaft von Minute zu Minute wieder Vertrauen in ihre Qualität gefunden«, sagte Flick, »mit dem 1:2 kam so richtig auch die Ruhe zurück, die wir gebraucht haben, und vor allem auch die Dominanz.« Man habe den Dortmundern keinen Raum gelassen - jedenfalls nach der Anfangsphase, in der Borussia die chronische Schlafmützigkeit der Bayern effizient genutzt hatte: Besonders gut gelang das beim 0:2, als die Dortmunder den Abo-Meister regelrecht seziert hatten. Angefangen bei Torwart Marwin Hitz, über Mahmoud Dahouds schnelle Verlagerung von rechts nach links bis hin zu Thorgan Hazards Querpass, den Haaland nur noch ins Tor spitzeln musste. »Im Moment werden wir wahnsinnig bestraft«, sagte Flick und scherzte, man müsse beim Aufwärmen vielleicht etwas ändern. Sein Kollege Terzic beklagte derweil die verpasste »riesige Chance, auf 3:0 zu stellen«, als Thomas Meunier frei vor Torwart Manuel Neuer querlegte statt entschlossen zu vollenden (25.). Im Gegenzug fiel das 1:2, als Leroy Sané Nico Schulz austanzte und den Ball scharf nach innen brachte, wo Lewandowski nur noch den Fuß reinhalten musste.

Es war der Anfang der Wende, die der FC Bayern zunächst mit viel Wucht und später Geduld herbeiführte. Der BVB hatte nach dem vergebenen 0:3 nur noch zwei nennenswerte Konterchancen, die ebenfalls verpufften. Die zweite, als Jérôme Boateng mit einem Ausfallschritt den Ball vor Marco Reus abfing, sich dabei eine Kapselzerrung im linken Knie zuzog und nun vorerst ausfällt.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Lewandowski schon per Foulelfmeter das 2:2 erzielt. Nach Goretzkas Volley zum 3:2 ließ er noch sein 31. Saisontor per Flachschuss folgen. In der Vorsaison hatte der Weltfußballer 34 Ligatreffer erzielt, seine bisherige Bestmarke. Nun fehlen Lewandowski in zehn Spielen nur noch neun Tore bis zum Allzeithoch. »Ich habe diesen Rekord nicht im Kopf, das ist noch zu früh«, sagte der 32-Jährige. Gerd Müller hatte vor 49 Jahren nach 24 Spieltagen 26 Tore erzielt, fünf weniger als der Pole.

Nicht ganz so auffällige Beiträge zur Münchner Machtdemonstration nach dem 0:2-Rückstand hatte diesmal Thomas Müller geleistet. Dennoch durfte sich der 31-Jährige auch in eigener Sache als Gewinner fühlen. Arena-Besucher Joachim Löw hatte die Tür für Müllers Rückkehr in die Nationalmannschaft bei Sky in der Halbzeitpause ja gefühlt noch etwas weiter geöffnet als in seinen Interviews an den Tagen zuvor. Man dürfe den Umbruch nicht abbrechen, aber unterbrechen, und das sei in Bezug auf die EM im Sommer denkbar, sagte der Bundestrainer zu Müller sowie den beiden anderen 2019 aussortierten Weltmeistern von 2014, Mats Hummels und Jérôme Boateng. Löw will im Mai entscheiden, ließ aber bereits anklingen: Wenn man solche Spieler wie Müller zurückhole, seien sie »natürlich gesetzt«. Müller ist dafür selbstredend »offen«, wie er im ZDF sagte. Er gab sich bereits zielorientiert. »Ich habe natürlich große Lust, da um den Titel zu kämpfen, wenn ich darf«, sagte der 31-Jährige.

Müller erwiderte Löws EM-Signale nun auf den Tag genau zwei Jahre nachdem er am 6. März 2019 ein Video mit einer Stellungnahme zur Ausbootung veröffentlicht hatte. Darin hatte Müller seinen Unmut kundgetan, nachdem der Bundestrainer unangekündigt beim FC Bayern vorstellig geworden war. Die Art und Weise mache ihn »einfach sauer«, sagte Müller damals und beklagte, Löw und der DFB zeigten »keinen guten Stil«. Nicht nachvollziehen konnte Müller zudem »diese suggerierte Endgültigkeit der Entscheidung. Mats, Jérôme und ich sind immer noch in der Lage, auf Topniveau Fußball zu spielen.« Das schätzt nun auch Löw offenbar durchaus so ein, weshalb er sich eine Rückkehr des Trios zur EM offen hält. Die besten Chancen hat dabei wohl Müller. Aktuell ist er mit zehn Toren und elf Vorlagen der erfolgreichste deutsche Scorer.

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