• Berlin
  • Deutsche Wohnen & Co enteignen

Genossenschaft verbietet Enteignungs-Banner

Mietern des Kreuzberger Möckernkiezes wird fristlose Kündigung angedroht

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine gegebenenfalls fristlose Kündigung droht die Kreuzberger Wohnungsgenossenschaft Möckernkiez eG in einem von Finanzvorstand Frank Nitzsche unterzeichneten Schreiben ihren Mietern an. Anlass der unangenehmen Post, die am vergangenen Donnerstag verschickt worden ist, sind mehrere an der Fassade des Kreuzberger Wohnkomplexes angebrachte Banner, die für das Volksbegehren Deutsche Wohnen & Co enteignen werben.
»Lebenslänglich – Bezahlbarer Wohnraum ist ein Grundrecht!«, heißt es beispielsweise auf dem Banner einer Senioren-Wohngemeinschaft. Auch zwei Familien-WGs erklären sich mit den Zielen der Vergesellschaftungsinitiative plakativ solidarisch.

»Wir wohnen selbst in gesicherten Wohnverhältnissen und wollen nicht hinnehmen, dass Menschen fürchten müssen, ihre Wohnungen nicht mehr bezahlen zu können«, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der Betroffenen – zusammen 25 Bewohner. Man wolle dazu beitragen, dass alle Menschen in Berlin zu fairen Mieten wohnen können und nicht aus Profitinteressen vertrieben werden.

Rund 50 Menschen versammeln sich am Montag um fünf vor 12 vor dem Haus an der Yorckstraße. Unter Buhrufen werden die Banner im Zuge einer kleinen Demonstration eingeholt und an andere Mieter übergeben. »Die Juristen sagen, dass wir das tun müssen«, sagt Iris Veit von der WG »lebendig altern« zu »nd«. »Wir waren anfangs entsetzt vom autoritären Gestus des Vorstands, aber zumindest hat er nun sein wahres Gesicht gezeigt«, kommentiert ein Mieter die Vorgänge.

Formal beruft sich der Vorstand in dem Schreiben auf diverse Verstöße gegen Anzeige- und Genehmigungspflichten. »Die Fassade ist nicht mitvermietet«, heißt es in dem »nd« vorliegenden Schreiben. »Eine Zustimmung muss und würde auch bei Anfrage nicht erteilt werden, da es sich bei der Anbringung nicht um einen üblichen Mietgebrauch handelt, die Anbringung berechtigte Interessen unserer Genossenschaft verletzt und Belästigungen anderer Hausbewohner und Nachbarn zu erwarten sind«, heißt es weiter. Inhalt und Größe der Banner ließen auch »eine Gefährdung des Friedens im Haus« oder der Genossenschaft erwarten.

Die vorgebrachten Argumente seien kaum nachzuvollziehen, sagt Iris Veit. Genossenschaften sind gar nicht betroffen von dem Volksbegehren, das die Sozialisierung von Berliner Beständen renditeorientierter Konzerne, die 3000 Wohnungen übersteigen, zum Ziel hat. »Wir glauben nicht, dass der gesamte Möckernkiez unsere Auffassung teilt. Wir glauben aber, dass die überwältigende Mehrheit unserer Nachbar*innen eine offene Diskussion über das Anliegen will«, so Veit. Sie erinnert daran, dass der Möckernkiez vor über einem Jahrzehnt um Unterstützung für sein Bauprojekt unter dem Motto »Anonyme Investoren oder wir« warb.

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Auch Mieter eines Friedrichshainer Eckhauses an der Warschauer und Kopernikusstraße haben vor einigen Tagen von ihren Balkons gelb-lila gemusterte Fahnen ohne Aufschrift gehängt. Es sind die Farben des Volksbegehrens. Postwendend wurde ihnen das von der Hausverwaltung untersagt. Die Mieter vermuten, dass die zusammen drei Häuser zum Bestand einer britischen Milliardärsfamilie gehören. Den öffentlichkeitsscheuen Eigentümern von Pears Global gehören wohl Tausende Wohnungen in Berlin.

Verfolgungsdruck spüren auch die Teams, die zu Beginn der Unterschriftensammlung 40 000 Plakate kleben. Materialien wurden beschlagnahmt, die Personalien von 13 Menschen aufgenommen. Laut »taz« ermittelt sogar der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz.

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