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Bodycams: Kameras nur zum Eigennutz
Sachsens Polizei führt flächendeckend Bodycams ein. CDU-Innenminister missachtet Forderungen der mitregierenden Grünen
Dieser Werbetermin ging gründlich schief. Bei der Vorstellung der »Bodycams«, die Sachsens Polizisten künftig überall im Freistaat bei Einsätzen tragen sollen, standen nicht die technischen Geräte im Mittelpunkt, die an Uniformen befestigt werden und in Bild und Ton dokumentieren sollen, was die Beamten tun – und womit sie konfrontiert sind. Vielmehr sorgten, während Innenminister Roland Wöller (CDU) auf einem Platz in der alternativen Dresdner Neustadt die Geräte präsentierte, Proteste für Aufmerksamkeit. »Freiheit stirbt mit Sicherheit« und »Wer überwacht die Wächter?«, war auf Plakaten zu lesen. Während der Minister die Kameras pries, schallten Sirenengeheul und Rufe nach einem »Wöllerverbot« über den Platz.
Die Bodycams werden bald von allen Streifenwagenbesatzungen, von Bereitschaftspolizisten und teils auch von Kriminalbeamten getragen, erklärte der Minister. Bis Sommer sollen 1500 Stück beschafft werden. Die Einführung folgt auf einen 2017 gestarteten Modellversuch mit 376 Beteiligten, der »erfolgreich gelaufen« sei. Wöller begründete die technische Aufrüstung ausschließlich mit Eigeninteressen der Polizei.
Die Kameras dienten vor allem deren »Eigensicherung«. Sie sollten die »Hemmschwelle bei Gewalt gegen Polizeibeamte« senken, erklärte der Minister: »Wir wollen diejenigen schützen, die uns schützen.« Außerdem würden sie zur zusätzlichen Beweissicherung in Fällen eingeschaltet, in denen »der Videobeweis nicht unwichtig« sei.
Keinerlei Beachtung fanden Forderungen des größeren der beiden Koalitionspartner: Die Grünen hatten, damals noch in der Opposition, Anfang 2019 die mit einer Novelle des Polizeigesetzes ermöglichte Einführung der Kameras kritisiert und auf verfassungsrechtliche Bedenken von Experten verwiesen. Mit den Bodycams schaffe man »keinen Mehrwert für die Bürgerrechte, sondern gibt ausschließlich der Polizei neue Rechte«, sagte Innenexperte Valentin Lippmann damals. Mit Eintritt in die Regierung machten sich die Grünen dann Argumente zu eigen, die Amnesty International vorgebracht hatte.
Wenn die Kamera bei »unmittelbarem polizeilichen Zwang« immer eingeschaltet sein müsse, könne das eine disziplinierende Wirkung auf Beamte haben. Im Koalitionsvertrag wurde daher festgeschrieben, dass eine »verbindliche Regelung« dazu geschaffen werden solle. Diese müsse nun im Gesetz »zügig umgesetzt« werden, betonte Lippmann; Wöller habe sich mit seinem Vorpreschen »selbst unter Zugzwang gesetzt«.
Der Minister und die Polizeiführung denken indes nicht daran, den Grünen-Forderungen nachzukommen. Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar verwies darauf, dass Polizei- und Polizeivollzugsdienstgesetz keine entsprechenden Regelungen vorsähen und die »Festlegungen aus dem Koalitionsvertrag im Gesetz keine Wirkung finden«. Die Entscheidung, ob die Kamera eingeschaltet wird, liege allein beim Polizeibeamten. Im Übrigen werde der entsprechende Gesetzesparagraf 2024 evaluiert – im letzten Jahr der Koalition von CDU, Grünen und SPD.
Scharfe Kritik an dem neuen Polizeiinstrument kam von der Linksfraktion. Innenexpertin Kerstin Köditz verlangte, Aufzeichnungen von Dritten auf ein Minimum zu reduzieren, Teilnehmer von Demonstrationen nicht ohne Anlass aufzunehmen und nicht in Wohnungen hineinzufilmen. Sie hält zentrale Fragen für offen und bezweifelt generell, dass Körperkameras präventiv wirken, für Deeskalation sorgen und Übergriffe »auf und auch durch Einsatzkräfte« unterbinden.
Nicht betroffen sind die gesetzlichen Regelungen zur Bodycam von einer Klage beim Landesverfassungsgericht, mit der die Fraktionen von Linkspartei und Grünen kurz vor der Landtagswahl 2019 gegen das zuvor von CDU und SPD beschlossene Polizeigesetz vorgegangen waren. Ein Urteil ist nicht in Sicht; bisher ist noch nicht einmal eine mündliche Verhandlung angesetzt. Vermutet wird das Leipziger Gericht eine Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Thema abwarten.
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