- Berlin
- Pascal Meiser und Udo Wolf
Linke in Berlin stimmt für Generationenwechsel
46-Jähriger »Rebell« gegen »alten Hasen«: Pascal Meiser gewinnt Kampfkandidatur gegen Udo Wolf
Es war denkbar knapp. Pascal Meiser, Abgeordneter der Linkspartei aus Friedrichshain-Kreuzberg, gewann am Samstag mit 51,4 Prozent seine in der vergangenen Woche angekündigte Kampfkandidatur um Platz 2 der Liste der Landes-Linken für die Bundestagswahl im September dieses Jahres. Er steht damit direkt hinter der ein weiteres Mal souverän auf Platz 1 gewählten Petra Pau – mit 125 Stimmen von 140 Wahlbeteiligten.
Meiser hatte Udo Wolf aus Pankow herausgefordert, der als erfahrener Regierungslinker sowohl in Berlin als auch im Bund gilt. Mit seinem neuen Listenplatz steht der Kreuzberger damit auch vor Gesine Lötzsch aus Lichtenberg, die ebenso eindeutig wie Pau (Marzahn-Hellersdorf) auf Platz 3 der Liste gewählt wurde.
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Strahlt der Generationenwechsel mit der Wahl von Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler damit auch bis in die Hauptstadtlinke? Meiser will einen »wohltuend rebellischen Geist in den Bundestag tragen« und einen »historischen Sieg« auf Landesebene, wie er bei seiner Vorstellung kundtat. Sein knapper Sieg war scheinbar auch für den Großteil der Genoss*innen im Neuköllner Estrel-Hotel eine Überraschung, denn auf der mit einem perfekt choreographierten Hygienekonzept stattfindenden Präsenzveranstaltung mit weit über 150 Menschen war es doch bemerkenswert still, als die Stimmverteilung bekannt gegeben wurde. Dabei hatten die Fürsprachen für den 46-Jährigen, der als kämpferischer Gewerkschafter und Experte für Mietenpolitik gilt und seit 2017 im Bundestag sitzt, zuvor deutlichen Applaus hervorgerufen. Für Gaby Gottwald, Bezirkskollegin von Meiser, muss »das Soziale nach vorn« und den Grünen so »der Rang abgelaufen werden«. Das gilt wohl auch für ihren Bezirk, denn in Friedrichshain-Kreuzberg lag die Linke zuletzt zwar knapp, aber doch mit 1,5 Prozent hinter der grünen Partei.
Von daher ist die Wahl Meisers ein Traditionsbruch, denn Stefan Liebich aus Pankow, der in diesem Jahr nicht mehr für den Bundestag antritt, erinnerte im Namen seines Nachfolgers Udo Wolf: »Die gewonnenen Wahlbezirke müssen an die Spitze.« Unter Liebich war der große Ostbezirk immer an die Linke gegangen. Dass wenigstens diese Tradition im September fortgesetzt wird, dafür steht der 58-jährige Udo Wolf - unbesehen seiner Niederlage an diesem Wochenende. Er empfahl sich seinen Genoss*innen in gewohnt souveräner Art mit Regierungserfahrung, politischen Erfolgen wie der Einführung des Mietendeckels und erhielt Unterstützung von Kultursenator Klaus Lederer und Dagmar Pohle, Bürgermeisterin von Marzahn-Hellersorf, mit den selben Argumenten. »Regieren ist kein Selbstzweck«, so Wolf. Rot-Rot-Grün sei »anstrengend«, die Verhandlungen um den Mietendeckel »eine Quälerei« gewesen. Die Linke beweise in seinen Augen aber, dass es möglich sei, »die richtigen Schritte in die richtige Richtung zu machen«. Sein Appell, es sei »vernünftig, wenn einer in der Bundestagsfraktion ist, der es schon mal gemacht hat«, und die Beteuerung »ihr wisst, was ihr an mir habt«, reichten trotzdem nicht.
Auf Meiser, dem gar nicht mehr so »jungen Wilden«, liegt nun einiger Druck. Aber das trifft auf die gesamte Berliner Linke zu. Die Schlagzahl ist derzeit enorm. Vor zwei Wochen noch Online-Marathon mit Neuwahl der Parteispitze, am vergangenen Wochenende Fraktionsklausur, am Freitag Vorstellung des Wahlkampfprogramms. Das gibt den Takt für dieses Jahr vor, in dem es für die Linke um vieles geht.
Ihm gebe das Ergebnis »kräftigen Rückenwind bei dem Versuch, erstmals für die Linke einen Wahlkreis direkt zu gewinnen, der nicht vollständig auf dem Staatsgebiet der ehemaligen DDR liegt«, erklärt Meiser dem »nd«.
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