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Nein zur Wiedervereinigung
Irlands Ministerpräsident hält am Status quo auf der Insel fest
Der St. Patricks’ Day als Nationalfeiertag der Iren ist ein wichtiger Tag für Politiker auf beiden Seiten des Atlantiks. Ein Besuch des irischen Regierungschefs ist für das Weiße Haus ist ein Fixpunkt in der Agenda. Viel Symbolik, wie grün-orange Fahnen in Washington, das fleißige Verteilen von Kleeblättern und das gemeinsame Trinken eines Pint Guinness, darf dabei nicht fehlen. Dieses Jahr findet der Besuchsreigen allerdings nur per Video statt.
Das Programm des erst im Juni 2020 ins Amt gelangten konservativen irischen Premierministers Micheál Martin soll diese Position weiter festigen. Bei aufgrund der Pandemie virtuellen Treffen spricht er an diesem Mittwoch mit der Sprecherin der Demokraten im US-Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, mit Vizepräsidentin Kamala Harris und schließlich mit US-Präsident Joe Biden.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Thematisch geht es bei den Meetings vor allem um Wirtschaftshilfen und die Beschaffung von Corona-Impfstoff. Die USA verfügen derzeit über einen Überschuss an Vakzinen, während die EU mit den Herstellern um die Liefermengen ringt. Martin will das Treffen mit Biden dazu nutzen, die USA zum Verkauf von Impfstoff an Irland zu überreden.
Das Treffen kommt zu einem brisanten Zeitpunkt. Erst am Montag leitete die EU wegen der Verletzung des Brexit-Vertrags ein Verfahren gegen Großbritannien ein. Zuvor hatte London Übergangsregelungen bei der Einfuhr britischer Waren nach Nordirland einseitig bis Oktober verlängert. Unionistische Politiker und loyalistische Paramilitärs in der britischen Provinz lehnen die Zollgrenze zwischen Nordirland und Großbritannien ab und verlangen eine Neuverhandlung des Brexit-Protokolls.
Ein weiteres heißes Eisen ist die Frage einer irischen Wiedervereinigung, die mit dem Brexit wieder an Aktualität gewann. Die irische republikanische Partei Sinn Féin machte dafür in der vergangenen Woche in Tageszeitungen mit einer groß angelegten Werbekampagne, die besonders auf irischstämmige US-Bürger zielte, Stimmung.
Auf einer Onlineveranstaltung der Denkfabrik Brookings Instituts am Montag erteilte Martin solchen Plänen eine klare Absage. In einer Rede vor US-Wirtschaftsvertretern bezeichnete Irlands Regierungschef die Debatten um eine Wiedervereinigung als »Fehler«, »kontraproduktiv« und »verfrüht«. Er wünsche sich vielmehr einen »gemeinsamen Dialog« über die Zukunft der Insel. Auf die Frage nach einem Referendum sagte Martin, dass er ein solches in seiner Amtszeit ausschließe. Es ist zu erwarten, dass auch Biden ein Festhalten am Status quo unterstützt.
Irland ist historisch einer der engsten US-Verbündeten in Europa. Aufgrund der Hungersnot in den 1840ern zogen Millionen Iren nach Nordamerika. Nach Schätzungen sollen sich in den USA 30 Millionen Einwohner als »irischstämmig« bezeichnen. Irisch-amerikanische Philanthropen und US-Firmen bringen Irland Milliarden ein. Zugleich sind die irisch-katholischen Weißen in den USA eine wichtige Wählerschicht.
In den 1990er Jahren wurden die Treffen am St. Patricks’ Day genutzt, um für den Friedensprozess in Nordirland zu werben. US-Präsident Bill Clinton und seine Frau Hillary gelten als Architekten des Karfreitagsabkommens von 1998. Seither haben die irischen Besuche im Weißen Haus an Bedeutung verloren. Dieser Trend kehrte sich zuletzt aufgrund des Brexits wieder um.
Kurz nach seiner Wahl zum neuen US-Präsidenten betonte Joe Biden seine Unterstützung für das Karfreitagsabkommen. Er signalisierte damit, dass er in der Brexit-Frage auf der Seite Dublins und Brüssels steht. Trotz des Wegfalls echter Treffen fehlt es auch in diesem Jahr nicht an Symbolik. Am St. Patricks‘ Day ziert eine Schüssel mit Kleeblättern den Amtstisch des US-Präsidenten. Zumindest das Geschenk hat es über den Atlantik geschafft.
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