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Industrie bestimmt Klimapolitik der CDU

Der Wirtschaftsrat der CDU ist ein klimapolitischer »Bremsklotz« und gefährlich für die Demokratie

Interessenvertretungen und Vereinigungen gehören zu Parteien. Jede hat sie, manche organisieren sich an Inhalten, andere organisieren sich um spezielle Themengebiete. Meistens gehören solchen Vereinigungen fest zu den Parteien und unterliegen dem Parteienrecht, was zu einem Mindestmaß an Transparenz führt. Beim Wirtschaftsrat der CDU ist das anders. Der eingetragene Verein ist offiziell ein Berufsverband, ist juristisch und finanziell nicht mit der CDU verbunden. Das hat für den Verein enorme Vorteile - so ist er nicht an die Transparenzregeln des Parteienrechts gebunden. Seine Finanzierung bleibt dadurch teilweise im Dunkeln. Durch seine Namenswahl suggeriert der 1963 gegründete Verein allerdings eine Deckungsgleichheit mit der CDU. In vielen Medienberichten tauchen Forderungen des Wirtschaftsrats so als CDU-Forderungen auf.

Fragwürdiger Abgeordneter

Der Verein LobbyControl hat sich nun in einer Studie mit dem Wirken des Wirtschaftsrats in Fragen der Klimapolitik befasst. Die Studienautorin und LobbyControl-Sprecherin Christina Deckwirth fasst das Ergebnis so zusammen: »Der Wirtschaftsrat nutzt seine Sonderstellung aus, um Klimaschutzmaßnahmen in Deutschland auszubremsen.« Einer der dabei eine zentrale Rolle spielt, ist der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Joachim Pfeiffer. Pfeiffer sorgte jüngst für Schlagzeilen, weil Anrufe bei einer Beratungsfirma, die er betreibt, bei seinem Wahlkreisbüro landen. Der Bundestagsabgeordnete bestreitet das. Auskunftsdienste hätten die Daten zusammengeführt. Beim Wirtschaftsrat gehört er zum Vorstand des Landesverbandes Baden-Württemberg. LobbyControl unterstellt ihm eine »Vielzahl von Nebentätigkeiten«, die direkt mit seinen politischen Themenfeldern als wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der Unionsfraktion kollidieren. So ist er Kuratoriumsmitglied einer Stiftung des Energiekonzerns EnBW und sitzt im Beirat des kanadischen Gas- und Erdölunternehmens Hydroma. Wegen der aktuellen Vorwürfe gegen Joachim Pfeiffer hat die SPD Verhandlungen zu einer Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, die für Donnerstag geplant war, abgesagt.

Einzelne problematische Akteure wie Pfeiffer, der Aserbaidschan- und Gaslobbyist Thomas Bareiß oder der Blackrock-Mann und beinahe CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, sind allerdings nicht das zentrale Problem mit dem Wirtschaftsrat der CDU - es sind seine Strukturen und die enge Verbindung zu Wirtschaft und unternehmensfreundlicher Wissenschaft. Der wissenschaftliche Beirat des Vereins wird vom neoliberalen Ökonomen Lars Feld geführt. Eine andere Personalie fällt allerdings schnell ins Auge. Bis mindestens 2016, danach wurden eine Mitgliederliste auf der Homepage des Wirtschaftsrats vorgeblich aus Datenschutzgründen gelöscht, war auch Marc Oliver Bettzüge, Leiter des Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität Köln (EWI), Mitglied des Beirats. Das EWI wurde bis 2012 von der Energiewirtschaft finanziert. Jetzt finanziert das Land Nordrhein-Westfalen das Institut.

RWE entscheidet mit

Im Beirat ist die Energiewirtschaft trotzdem noch mit einem Drittel vertreten. Unter anderem ein ehemaliger Atommanager von RWE sitzt dort. LobbyControl attestiert Bettzüge, dass seine »energiepolitischen Positionen häufig denen der Energiekonzerne« ähneln. Das EWI verfasste im vergangenen Jahr Studien für NordStream 2 und RWE. In einer Studie wurde eine »hohe Auslastung« für die RWE-Braunkohlekraftwerke bis 2038 prognostiziert. Auch beim Wirtschaftsrat ist man eng mit RWE verbunden. Die Vereinigung besitzt verschiedene Fachkommissionen. Die zur Energiepolitik wurde lange von Johannes Lambertz geleitet, dem langjährigen Chef der Braunkohlesparte von RWE. Die Kommission sprach sich lange gegen den Kohleausstieg und für Ausnahmen bei der EEG-Umlage aus. Heute leitet der Eon-Vorstand Karsten Wildberger die Fachkommission.

Nicht weniger eng sind die Verbindungen zwischen Autoindustrie und Hildegard Müller, die Chefin des Branchenverbands sitzt im Vorstand des Wirtschaftsrats. Vertreter von Daimler und VW spielen auch gewichtige Rollen. Bei Veranstaltungen des Wirtschaftsrats, die von Unternehmen gesponsert und von vielen Spitzenpolitikern besucht werden, wird den Unternehmen regelmäßig eine Bühne geboten. Über 50 Prozent der Vorträge wurden bei den energie- und umweltpolitischen Klausurtagungen des Wirtschaftsrats von Sponsoren gehalten. Es ist die Chance, vor einem Publikum aus politischen Entscheidungsträgern Werbung in eigener Sache zu machen.

Für LobbyControl ist klar: »Der Wirtschaftsrat steht für einseitigen Lobbyismus im Machtzentrum der CDU«, so Christina Deckwirth. Die Vorsitzende des Vereins, Astrid Hamker, sitzt sogar als beratendes Mitglied im Präsidium der CDU. Christina Deckwirth fordert die CDU auf, »die Macht des Wirtschaftsrats in ihren eigenen Reihen zu beschränken«. Die Partei müsse »sauber« zwischen der Lobbyorganisation und Parteigremien trennen. Die »Doppelrolle des Verbands einschließlich seiner Namenswahl« bezeichnet sie als »irreführend«. Der Name gäbe dem Lobbyverband »das Schein-Image eines Parteigremiums«. Klimapolitisch nennt die LobbyControl-Sprecherin den Wirtschaftsrat einen »mächtigen Bremsklotz«. Er habe sich in den vergangenen Jahren gegen schärfere Abgasgrenzwerte, höhere Klimaziele in der EU und Umweltstandards in globalen Lieferketten eingesetzt. Oft mit Erfolg. Dies sei, so Deckwirth, »schädlich für die Demokratie und das Klima«.

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