- Kultur
- Jean Peters von »Peng!«
»Ich will nicht unangreifbar sein«
Der Aktivist Jean Peters geht offen mit eigenen Zweifeln an politischen Aktionen um
Hallo Herr Peters. Warum steht auf dem Titel Ihres Buches der Begriff »subversiver Widerstand«? Was meinen Sie damit?
Weil es das ist, was ich tue, glaube ich. Das sind die zwei Worte, die es am ehesten zusammenfassen. Widerstand gegen dieses System, in dem wir die sozial-ökologische Totalzerstörung anstreben. Ein System, mit dem ich nicht einverstanden bin, auch wenn ich persönlich davon immer wieder profitiere. Und mit Subversion meine ich die Untergrabung dieser Ordnung. Die Ordnung, in der patriarchal-kapitalistische, ausbeuterische Zustände herrschen. Subversion ist eine Taktik dagegen - wir machen das auf der medialen Ebene. Man könnte es vielleicht an die »Grabenkämpfe« von Gramscis Theorie anknüpfen. Aber Subversion hat auch eine lange Tradition, nicht zuletzt in den anarchistischen Bewegungen. Natürlich ist auch die CIA subversiv, wenn sie interveniert. Aber das ist damit nicht gemeint.
An wen richtet sich das Buch?
Das ist eine gute Frage. Ich habe mir nie gedacht, das geht an die oder die. Ich würde behaupten, es geht vor allem an jene, die trotz allem noch Kapazitäten haben, ihre Privilegien einzusetzen und zu kämpfen, für sozial-ökologische Gerechtigkeit und Solidarität. Ich hatte eigentlich vor, eine Lesereise zu machen, die keine Lesereise, sondern Treffen mit politischen Gruppen werden sollte. Abende, wo Ryanair-Streikende mit Pflegekräften und anderen erzählen können, von ihren sozialen Kämpfen. Wenn die wollen, so dachte ich, hätte ich auch aus dem Buch erzählen können, aber das ist nebensächlich. Es sollten Vernetzungsabende sein und strategisch-taktische Ideen dabei entstehen können. Das war so eine Idee, die ich hatte, aber naja, Corona.
Sie schildern in dem Buch viel von Ihren Erfahrungen, die Sie mit dem »Peng!«-Kollektiv gemacht haben. Aber auf der ersten Seite des Buches steht: »Nichts von dem, was in diesem Buch steht, ist wirklich passiert und wenn doch, ist es reiner Zufall.«
Ach, das ist ein Gag. Dass es reiner Zufall ist, das stimmt ja trotzdem. Ich glaube nicht an Gott oder irgendeine teleologisch-marxistische Erzählung. Aber ich glaube schon, dass wir vom Zufall bestimmt sind. Der Satz war einfach ein spontaner Einfall. Juristisch gesehen hilft mir das vielleicht. Er zeigt auch die Haltung, mit der ich die Welt sehe: Es gibt keine letzte Wahrheit.
Es ist aber etwas verwirrend, weil Sie darlegen, dass Sie sich überlegt haben, mit welchen Beispielen Sie im Buch arbeiten und dass es auch Aktionen gibt, die Sie nicht erwähnen wollten.
Ja. Also, je nachdem, wie man es sieht. Ich würde dem Satz jetzt nicht zu viel Bedeutung geben, aber genau dieses Verwirrspiel ist ja meine Haltung. Ich mache das gerne und animiere die Leser*innen, ein bisschen verwirrt zu sein und dann zu überlegen: Moment, wo stehe ich gerade, und was halte ich davon?
Mit welcher Motivation haben Sie dieses Buch geschrieben?
Ich möchte auf jeden Fall inspirieren und reflektieren, was wir gemacht haben. Der Prozess des Aufschreibens ist etwas Wunderschönes: Ein Moment, in dem man innehält, nicht die ganze Zeit nach vorne rennt, sondern reflektieren kann. Ich möchte informieren, über die verschiedenen Gebiete, von der Waffen- oder Ölindustrie, von den internationalen Supermarkt- und Lieferketten. Themen, von denen man hier und da mal gehört hat, aber nicht präzise einordnen kann, was genau das Problem ist. Da führe ich spielerisch und unterhaltsam durch, im Idealfall ohne, dass es ein Lehrbuch ist, so ein »How-to«. Und doch hoffe ich, dass man danach ermutigt ist und eigene Ideen realisieren kann, die einen ärgern oder gar selbst betreffen.
Zu Beginn des Buches geht es ausführlich um den Tortenwurf auf die damalige AfD-Vizechefin Beatrix von Storch. Das Video davon ist wahrscheinlich eins der bekanntesten von »Peng!«. Sie machen eigene Zweifel an dieser Aktion transparent. Damit machen Sie sich angreifbar.
Naja, klar. Aber ich wäre auch so angreifbar. Ich zeige mich generell gerne verletzlich und unperfekt. Das ist ja auch gut so, oder? Ich will nicht unangreifbar sein.
Bei dieser und anderen Aktionen kommen Sie Ihren politischen Gegner*innen sehr nah. Speisen Sie aus diesen Begegnungen auch Ihre Motivation, weiter politisch aktiv zu bleiben?
Ja, auf jeden Fall. Das sind natürlich Adrenalinmomente, die sind aufregend. Aufregender, als wenn man sich weit entfernt in seinem Lager unter Gleichgesinnten austauscht, auch wenn das nicht minder wichtig ist. Gerade in Situationen, wo es eine sehr intransparente und korrupte Machtstruktur gibt, ist es wichtig, dass man auf Tuchfühlung geht. Dass man da näher an diese Menschen ran kommt, in deren Räume, in deren Sphären eindringt. Das ist, was wir bei der Waffenindustrie, bei den Geheimdiensten und auch bei den Energieunternehmen gemacht haben. Unser »Signature Move« sozusagen (lacht). Also das, woran man einen wiedererkennt, was einen ausmacht.
Warum finden Sie solche Aktionen effektiver als Demonstrationen?
Das sage ich nicht. Mediale Aktionen sind ja oft auch nur Schall und Rauch. Aber manchmal kommen wir CEOs von fossilen Energiekonzernen oder Rüstungsfirmen erstaunlich nah - da können sie nicht mehr denken: »Ach so ein paar Demonstrant*innen da draußen.« Wenn wir sie etwa an ihren eigenen Widersprüchen packen oder sie über ihre Eitelkeit stolpern, müssen sie sich vor ihren Kolleg*innen rechtfertigen. Solche Aktionen sind meist eingebettet in politische Bewegungen, die dann Demonstrationen und »Organizing« machen, wie es im Amerikanischen heißt. Ich sehe unsere Aktionskunst ein bisschen wie Marilyn Monroe, die für die Soldaten hinter der Front tanzt und singt. Abgesehen von der Figur Monroe, denn da ist immer der sexistische Einschlag mit drin. Und den Soldat*innen, die mir auch zu militant sind (lacht). Es ist ja nicht immer so, dass wir - außer bei ein paar einzelnen Aktionen - wirklich was substanzielles verändert haben, sondern, dass es erst mal ideologische Munition gibt.
Was meinen Sie?
Wenn wir Menschen reinlegen können, die maßgeblich die Klimakrise anheizen, und alle dabei zusehen, hoffe ich, dass wir alle ein bisschen lachen, ein bisschen aufatmen können. Das Gefühl dieser Kruste der Ohnmacht, die sich über unseren politischen Alltag gelegt hat, wird etwas aufgebrochen. Ich glaube, wenn wir das schaffen, ist das schon viel. Wenn man mit Leuten redet, die beispielsweise in großen internationalen Finanzinstitutionen arbeiten, hört man über politische Aktivist*innen oft: »Ach, die sollen ihre Sachen doch machen, die sind keine Gefahr für uns.« Das bildet leider oft die Realität ab, was Gift für soziale Bewegungen ist, angesichts der sozial-ökologischen Kämpfe, die sie führen.
Sie schreiben, die allermeisten Deutschen wissen wahrscheinlich, dass ihre Lebensweise nur dank der Ausbeutung anderer Menschen im globalen Süden möglich ist. Trotzdem versuchen die wenigsten, daran etwas zu ändern. Warum?
Also mein erster Impuls kommt aus einer Wut heraus, der sagt: Ich kann es mir nicht erklären. Das ist schon sehr schwierig für mich nachzuvollziehen. Wenn ich weniger egozentrisch denke, würde ich behaupten, dass es vielen Menschen schlicht nicht möglich ist, sich zu engagieren. Es braucht viele Zugänge, um sich politisch zu engagieren. Es braucht die Kapazitäten, die Kraft, einen kritischen Raum für Reflexion, Interaktion mit Menschen, die dir globale Perspektiven nahebringen. Wer existenzielle Ängste hat, kümmert sich natürlich erst einmal darum. Es ist ein großes Privileg zu sagen: Ich möchte gerne für soziale Gerechtigkeit kämpfen, ich nehme mir den Raum, Utopien zu entwickeln und bin auch bereit, eigene Privilegien dafür abzugeben.
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