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Schatteneinheiten und Staatsterror

Die CIA hat in den letzten 20 Jahren in Afghanistan einen Sicherheits- und Überwachungsapparat errichtet

  • Emran Feroz, Kabul
  • Lesedauer: 5 Min.

Wer durch Kabul spaziert, bemerkt auch in diesen Tagen die Präsenz von auffälligen Militärfahrzeugen, die oftmals eine Kolonne bilden und sich aggressiv durch den stockenden Verkehr der Hauptstadt schlängeln. Schwer bewaffnete Soldaten, in Gedanken schon bei ihrem nächsten Einsatz, sind erkennbar. Auf den schweren Geländewagen ist die Aufschrift »NDS« zu lesen. »Da steht wohl die nächste Operation an«, kommentiert Gul Ahmad das Geschehen, der seit geraumer Zeit als Taxifahrer tätig ist. Er sieht die Männer mitsamt ihren Fahrzeugen praktisch jeden Tag. Beim NDS (National Directorate of Security) handelt es sich um den afghanischen Inlandsgeheimdienst, der nach 2001 von der CIA aufgebaut wurde. Er ist de facto der verlängerte Arm der CIA in Afghanistan. Wie viele andere Menschen in Kabul weiß Gul Ahmad davon wenig bis gar nichts. »Ich gehe davon aus, dass sie für Sicherheit sorgen und Terroristen jagen«, sagt er etwas zögernd.

Betroffene sehen das anders. »Sie haben mitten in der Nacht sein Haus gestürmt und ihn einfach mitgenommen«, erzählt Mohammad Rahim, der aus Angst darum gebeten hat, dass nicht sein richtiger Name genannt wird. Ein Cousin, der einst selbst in der Armee diente, wurde vor wenigen Tagen von NDS-Einheiten verhaftet - ohne Grund. Die bewaffneten Männer landeten mit einem Hubschrauber auf dem Dach der Familie. Kurz darauf drangen sie mit Gewalt in das Haus ein und entführten den Mann. Die Familie hat den betroffenen Kabuler Stadtteil mittlerweile aus Angst verlassen. »Warum werden unschuldige Menschen einfach verschleppt?«, fragt Rahim. »Wir alle sind besorgt und können meinen Cousin seitdem nicht mehr kontaktieren.«

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Die CIA hat in den letzten zwei Jahrzehnten einen massiven innerafghanischen Sicherheits- und Überwachungsapparat errichtet. Es gibt mehrere CIA-Zentren im Land, etwa in Kabul, am Flughafen im östlichen Dschalalabad oder in der Stadt Khost im Südosten des Landes. Überwachungsballons dominieren das Landschaftsbild und sorgen für eine dystopische Stimmung, die schon längst zum Alltag geworden ist. Der NDS führt zahlreiche paramilitärische Schatteneinheiten, die regelmäßig ins ganze Land ausschwärmen und Operationen durchführen. Hinzu kommen weitere Milizen wie die »Khost Protection Force« (KPF), die in Südost-Afghanistan präsent ist und unabhängig vom NDS agiert. Ihr werden seit Jahren Menschenrechtsverbrechen vorgeworfen.

Viele Beobachter des Afghanistan-Krieges wundern sich über die Hierarchie innerhalb dieser Strukturen. Das meiste geschieht im Dunkeln. Viele hohe afghanische Offizielle, unter anderem der Präsident selbst, sind in viele Aktivitäten wohl gar nicht eingeweiht. Unumstritten sollte allerdings die Tatsache sein, dass die vollständige Kontrolle bei der CIA-Zentrale in Langley, USA liegt: Ohne Zustimmung und Unterstützung der CIA wäre der NDS quasi bewegungsunfähig. Auch der Wahl des aktuellen NDS-Chefs, Ahmad Zia Saradsch, musste erst der US-Geheimdienst zustimmen, bevor andere etwas zu sagen hatten. »Das ging nur mit dem Okay der CIA. Anders wäre das gar nicht möglich«, sagt ein afghanischer Sicherheitsanalyst, der anonym bleiben möchte.

In den letzten Tagen wurde abermals deutlich, dass die CIA-Strukturen Afghanistan nicht sicherer, sondern unsicherer gemacht sowie Radikalismus und Extremismus gefördert haben. Das jüngste Beispiel hierfür ist eine Operation, die in der Nacht des 10. März im Distrikt Khogyani in der Provinz Nangarhar stattgefunden hat. NDS-Einheiten stürmten dort eine Schule und töteten zehn Zivilisten: acht Schüler, einen Arzt und einen Lehrer. Das Massaker wurde nicht nur von der Regierung ignoriert, sondern auch von vielen Medien in Kabul. »Durch das Massaker gibt es nun zahlreiche neue Taliban-Mitglieder«, sagt ein Einwohner aus der Region. Er spielt damit auf die Tatsache an, dass militante Gruppierungen derartige Angriffe auf die Zivilbevölkerung instrumentalisieren, um neues Personal zu rekrutieren. »Diese Milizen sind extrem brutal und terrorisieren die Menschen seit Jahren. Viele haben gar keine andere Wahl und müssen sich den Taliban anschließen«, fügt er hinzu. Auch er möchte anonym bleiben.

Dass es sich hierbei um keinen Einzelfall handelt, machen auch die jüngsten Ereignisse in der Provinz Khost deutlich, wo die erwähnte KPF präsent ist. Dort fand vor Kurzem eine Stammesversammlung statt, in der über die Angriffe der Miliz gesprochen wurde. »Es heißt, sie würden gegen die Taliban vorgehen. Doch sie greifen unsere Moscheen und Dörfer an. Sie töten unsere Frauen sowie unsere Älteren. Wir werden das nicht mehr dulden«, so ein Stammesführer.

In den letzten Wochen und Monaten kam es zu mehreren brutalen Überfällen seitens der KPF. Zivilisten fallen der Miliz regelmäßig zum Opfer. Aus der Bevölkerung hört man in diesem Kontext seit Jahren stets dasselbe: Man könne sich nicht wehren, da die Amerikaner, sprich: die CIA, hinter der Miliz stünden. Dieser Umstand wurde lange ignoriert. Eine Eskalation des Konflikts wird immer deutlicher, denn die vermeintliche »Anti-Terror-Miliz« verbreitet selbst Terror.

All diese Entwicklungen sind im Kontext eines möglichen US-Abzugs zu betrachten. Hier ist weiterhin von einem Abzug des US-Militärs die Rede. Die CIA aber ist ein eigenständiger Akteur, dessen klandestine Machenschaften während der laufenden Friedensgespräche kaum diskutiert werden. »Die CIA-Milizen werden wegen ihrer bekannten Verbrechen von vielen Afghanen verachtet. Ein großes Problem ist außerdem die Tatsache, dass diese Milizen niemandem eine Antwort schuldig sind - lediglich ihren amerikanischen Auftraggebern. Auch die afghanische Regierung ist machtlos«, sagt Zakir Dschalali, ein politischer Analyst aus Kabul.

Dass die CIA sich aus Afghanistan zurückzieht, ist unwahrscheinlich. Dschalali glaubt dennoch, dass die Milizen aufgelöst werden. Gegenwärtig sind rund 3500 US-Soldaten in Afghanistan stationiert. Von einem Abzug wären die CIA-Milizen ohnehin nicht betroffen, da es sich um afghanische Kämpfer handelt - und diese können gar nicht abziehen.

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